Die Jahresprognose des Handelsverbandes Österreich und des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung, WiFo, für den Einzelhandel in Österreich bringt ernüchternde Zahlen für den stationären Einzelhandel in Österreich. Insgesamt schrumpft der Jahresumsatz auf 74,5 Milliarden Euro. Davon gehen minus 2,2 Milliarden Euro auf das heurige Weihnachtsgeschäft (minus zehn Prozent gegenüber 2019). Dafür verlagerte sich das Minus im stationären Handelsgeschäft Großteils ins Internet. Dies sorgte im Dezember für eine „Packerl-Flut“ und sprengt dort alle Rekorde.
Um es vorweg zu nehmen: Österreichs Verbraucher*innen geben insgesamt nur etwas weniger aus im Weihnachtsgeschäft als im Vorjahr. Insgesamt wird das Umsatzvolumen im Dezember, geschätzt vom Wiener Wirtschaftsforschungsinstitut WiFo, auf nominell 6,25 Milliarden Euro geschätzt (Vorjahr: 6,4 Milliarden Euro). Die Verbraucher verlegten ihren Einkauf im Einzelhandel in Österreich jedoch ins Internet und sorgten so für eine wahre „Packerlflut“, welche die KEP-Dienstleister an ihre Kapazitätsgrenzen bringen. Dieses Phänomen ist jedoch nicht alleine in Österreich zu beobachten, sondern in der gesamten DACH-Region. Unternehmen wie DHL, Österreichische Post, DPD Austria usw. weisen daher proaktiv auf Verzögerungen etwa bei Lieferfristen hin oder verabschieden sich teilweise sogar ganz von offiziellen Lieferfrist-Versprechen. Gleichzeitig boomt das „Kaufgutschein“-Business. Das veränderte Kaufverhalten führte daher im stationären Einzelhandel zu massiven Umsatzeinbrüchen mit erheblichen Folgen.
Einzelhandel in Österreich – Weihnachten fällt als 5. Quartal aus
Das Weihnachtsgeschäft gilt generell als „5. Quartal“ für den Einzelhandel. Es entscheidet darüber, ob das Geschäftsjahr erfolgreich endet oder nicht. Im Corona-Jahr 2020 gilt dies mehr denn je. Das klassische Weihnachtsgeschäft wird dabei definiert als Mehrumsatz im Dezember, der über den durchschnittlichen Umsätzen der Monate Jänner bis November liegt. Dazu werden noch Trend-, Konjunkturentwicklung und kalenderbedingte Effekte wie zum Beispiel die Zahl der Verkaufstage oder deren Verteilung berücksichtigt. Sondereinkaufstage wie der Black Friday sowie der vorgezogene Ausverkauf kannibalisieren hierbei jedoch mittlerweile das klassische Weihnachtsgeschäft des stationären Einzelhandels und verschieben die Mehrumsätze immer stärker in den November.
Corona – Gutscheine und Geldgeschenke haben Konjunktur
Seit jeher beliebt bei Österreichs Konsumenten sind im Weihnachtsgeschäft sogenannten „Kaufgutscheine“. So auch in diesem Jahr. Jedoch sind auch hier teilweise starke Verschiebungen zu beobachten. „Generell setzt sich auch heuer der Trend zu Gutscheinen ebenso fort wie die Beliebtheit von Geldgeschenken. Reisen und Wellness, im Vorjahr noch auf Platz zwei der Rangliste, werden hingegen Corona-bedingt deutlich weniger verschenkt“, bestätigt Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes gegenüber den Medien. Bei den bevorzugten Waren greift jedes dritte österreichische Christkind im Einzelhandel zu Spielzeug (33 Prozent), Süßigkeiten (32 Prozent) oder Bekleidung (32 Prozent), immerhin jedes Vierte zu Büchern (27 Prozent) und Kosmetik (26 Prozent), um die Vorlieben der Liebsten zu treffen.
Einzelhandel in Österreich – Mehrumsatz von rund 1,29 Milliarden brutto
Das aktuelle Weihnachtsgeschäft 2020 verläuft aufgrund der behördlichen Schließung des Non-Food Handels bis 6. Dezember sowie der weiterhin geltenden Einschränkungen und Hygiene-Vorgaben im gesamten stationären Handel durchwachsen. Die Umsatzprognose von Handelsverband und Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) für den österreichischen Einzelhandel geht von einem weihnachtsbedingten Mehrumsatz von 1,1 Milliarden Euro netto bzw. 1,29 Milliarden brutto aus. Das entspricht einem Rückgang von 9,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (1,22 Milliarden Euro netto bzw. 1,43 Milliarden brutto). Betrachtet man lediglich den Nichtlebensmittelbereich, liegt der Umsatzrückgang im November und Dezember sogar bei -14,7 Prozent. Insgesamt wird das Umsatzvolumen heuer im Dezember auf nominell 6,25 Milliarden Euro geschätzt (Vorjahr: 6,4 Milliarden Euro). In der Woche vor Weihnachten treten die Last-Minute Shopper auf den Plan, oder auf die Regenplane. Rund ein Drittel der Konsumenten sichert sich erst in den letzten Tagen vor Heiligabend die Geschenke für die Lieben. Nach dem 24. Dezember werden dann Geldgeschenke eingelöst und das Gutscheingeschäft hat Hochkonjunktur bis weit in den Jänner 2021 hinein.
Gesamtumsätze von 74,5 Milliarden Euro brutto
Aus all diesen Faktoren leitet sich unsere Gesamtjahresprognose 2020 für den österreichischen Einzelhandel von 74,5 Mrd. Euro brutto ab. Das ist ein nomineller Rückgang von minus 2,9 Prozent. Bezieht man die Inflationsrate von 1,3 Prozent ein, wird der heimische Handel heuer real um mehr als 4,2 Prozent schrumpfen. „Insgesamt rechnen wir für 2020 mit einem Rückgang der privaten Haushaltsausgaben für Dienstleistungen, Konsumgüter und sonstige Investitionen von mindestens 16,5 Milliarden Euro“, so R. Will.
Rückgang von 4,3 Prozent. „Wenn wir die Umsätze im Oktober und November auf der Basis der früher verfügbaren Daten zu den bargeldlosen Transaktionen abschätzen und einen teilweisen Nachholeffekt im Dezember unterstellen, dürfte der nominelle Gesamtjahresumsatz im Einzelhandel ohne KFZ und ohne Nahrungsmittel um 4,3 Prozent zurückgehen“, sagt Dr. Josef Baumgartner, Senior Economist am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO). Aggregiert man dies über alle Teilbereiche des Einzelhandels, konnte der Einbruch durch den ersten Lockdown über den Sommer somit annähernd wettgemacht werden. Hierbei waren jedoch die einzelnen Sektoren sehr unterschiedlich betroffen.
Stationärer KMU-Handel hauptsächlich betroffen
Im Handel betreffen die negativen Auswirkungen der Krise jedoch fast ausschließlich die stationären Geschäfte. Hier dürfte der inflationsbereinigte Umsatzrückgang heuer bei mindestens minus 4,7 Prozent liegen (nominell: minus 3,4 Prozent). Am stärksten sind KMU-Händler mit Geschäftsflächen betroffen.
Zehn Prozent Schließungen. Fast ein Zehntel der heimischen Händler mussten ihren Betrieb aufgrund der Corona-Krise bereits schließen, 6.500 Unternehmen sind akut insolvenzgefährdet. „Allein der zweite harte Lockdown hat im Nichtlebensmittelbereich einen deutlichen Einbruch von -20 Prozent im November und mehr als -10 Prozent im Dezember gegenüber den Vorjahrsumsätzen gebracht“, bestätigt Baumgartner.
Online-Handel explodiert. „Der Onlinehandel wird hingegen heuer um mehr als 17 Prozent wachsen. Corona war hier eindeutig ein Brandbeschleuniger. Am Ende des Jahres werden wir erstmals einen eCommerce-Anteil am gesamten Einzelhandelsumsatz von mehr 11 Prozent erreichen. Das entspricht rund 8,2 Milliarden Euro“, so Handelssprecher Rainer Will. Viele heimische Händler haben das Potenzial in den letzten Monaten erkannt und in ihren Webshop investiert – eine gute Entscheidung.
KEP-Dienstleister profitieren vom geänderten Kaufverhalten
Das veränderte Kaufverhalten der Konsumenten führte in diesem Jahr zu einer wahren Packer-Flut, insbesondere im Dezember. Noch stärker als der Distanzhandel profitiert von der Krise im stationären Handel der sogenannte KEP Markt (Kurier-, Express- und Paketdienste), also nicht Amazon alleine. 2019 lag die Zahl der zugestellten Pakete im B2C Bereich bereits bei 151 Millionen (+14 Prozent gegenüber 2018). Für heuer erwartet das WiFo ein Paketvolumen von 180 Millionen. Das entspricht einem Anstieg von mehr als 19 Prozent innerhalb eines Jahres. Die Hauptgründe für die Paketlawine sind neben dem generellen eCommerce-Boom vor allem überproportional steigende Teillieferungen und Retouren. Im Weihnachtsgeschäft werden heuer an manchen Tagen über eine Million Pakete alleine durch die Österreichische Post zugestellt. Das bringt nahezu alle Paketdienstleister an ihre Grenzen, und zwar nicht nur in Österreich.
Eine informative Pressekonferenz, die virtuell stattgefunden hat und hierauf blogistic.net abrufbar ist.