Deutschlands Automobilzulieferer befinden sich mitten in der Transformation in Richtung Elektromobilität. Ob der Transformationsprozess jedoch friktionsfrei über die Bühne gehen wird, ist jedoch fraglich. Eine gemeinsame Studie des deutschen Verbandes der Automobilindustrie, VDA, und des internationalen Beratungsunternehmens Deloitte zeigt den aktuellen Entwicklungsstand der E-Transformation. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass das unternehmerische Risiko für die Zukunft der Branche derzeit nahezu unkalkulierbar ist – trotz staatlicher Milliardenförderungen.

Die Automobilbranche steht weltweit vor dem wohl größten Umbruch ihrer Geschichte: vom fossilen Verbrennungsmotor hin zu neuen nachhaltigeren Antriebstechnologien. Insbesondere die Elektromobilität steht dabei derzeit im Fokus des Wandels und des öffentlichen Interesses. Deloitte und der Verband der Automobilindustrie (VDA) haben nun in einer gemeinsamen Studie im Frühjahr 2021 untersucht, wie es um die Transformation bei den deutschen Automobilzulieferern steht.
Das Ergebnis: Die große Mehrheit der befragten Zulieferer setzt auf Elektromobilität als die Technologie der Zukunft. Mehr als 80 Prozent gehen davon aus, dass sich diese Antriebstechnik als Technologiestandard durchsetzen wird. Zudem gibt ein Großteil der Befragten (über 80 Prozent) an, bereits mit der Umstellung auf Elektromobilität begonnen zu haben. Lediglich zehn Prozent der Unternehmen sehen keinen Grund sich zu transformieren, da sie aufgrund ihres Produktportfolios nach eigenen Angaben nicht betroffen sind. Mit einer vollständigen Ablösung des Verbrennungsmotors durch die Elektromobilität rechnen 88 Prozent jedoch erst ab dem Jahr 2030. Ein Teil der befragten Zulieferer nimmt jedoch an, dass Brennstoffzellen (rund 30 Prozent) oder synthetische Kraftstoffe (40 Prozent) es ebenfalls noch zum (zusätzlichen) Antriebs-Standard schaffen können.
Hohe Investitionen, geringer Umsatz
Die elektrische Antriebstechnik steht daher klar im Fokus der Aktivitäten. Die befragten Automobilzulieferer investieren über 30 Prozent ihrer Forschungs- und Entwicklungsausgaben in diese Technologie. Ihr Anteil am Gesamtumsatz fällt dagegen mit 15 Prozent noch deutlich geringer aus. 85 Prozent nutzen die Gewinne derzeit aus der traditionellen Verbrennertechnologie, um parallel Kompetenzen in der Elektromobilität aufzubauen. Lediglich fünf Prozent der Zulieferer planen zu gleichen Teilen, sich entweder über Fusionen mit anderen Unternehmen zu konsolidieren oder die Automotive-Branche gänzlich zu verlassen.
Branche verfolgt “Harvest-Strategie”
„Wie das Investitionsverhalten der Automobilzulieferer zeigt, gehen sie davon aus, dass der Absatz von Elektroautos weiterhin deutlich steigen wird“, so Dr. Harald Proff, Partner und Leiter Automobilindustrie bei Deloitte Deutschland und Global. „Es zeigt sich zudem, dass die Unternehmen strategisch auf Augenmaß setzen. Ein Großteil verfolgt eine Harvest-Strategie, also einen kontrollierten, langsamen Rückzug aus dem Markt für Verbrennungstechnologien bei gleichzeitigem Aufbau des Geschäftsbereichs Elektromobilität. Radikalere Strategien wie beispielsweise einen frühzeitigen schnellen Marktaustritt werden dagegen nur von einer Minderheit der Befragten gefahren.“ Ob die ganzen Maßnahmen jedoch vom unternehmerischen Erfolg gekrönt sind, weiß derzeit jedoch niemand und Prognosen hierzu gleichen eher einer Kaffeesudleserei.
COVID-19 beschleunigt E-Transformation
Deloitte und der VDA haben auch untersucht, in welcher Phase der Transformation sich deutsche Automobilzulieferer gegenwärtig befinden. Das Ergebnis: Ein Großteil hat die Hälfte des Weges ins elektrische Zeitalter bereits zurückgelegt. Rund 65 Prozent befinden sich auf den mittleren drei der siebenstufigen Transformationsskala. Lediglich fünf Prozent der befragten Zulieferer befinden sich vor dem Sprung in ein Geschäftsmodell, das nur auf Elektromobilität basiert. Die COVID-19-Pandemie hat den Transformationsprozess eher vorangetrieben als verlangsamt. So gaben mehr als zwei Drittel der Befragten an, dass sie die Pandemie als Beschleuniger der Transformation wahrnehmen. Nur für 13 Prozent bremst die Pandemie die eigene Transformation, weil hier mutmaßlich die finanziellen Mittel für die notwendigen Investitionen weggebrochen sind.
Mehr Planungssicherheit gefordert
Nach den größten Barrieren für eine zügige E-Transformation gefragt, nennen die Unternehmen an erster Stelle einen Mangel an politischer Unterstützungs- und Planungssicherheit. Mit anderen Worten: Die Risiken, die mit den Investitionen in die Zukunft der Unternehmen verbunden sind, sind nicht bzw. Kaum kalkulierbar. Außerdem werden steigende Anforderungen an die Nachhaltigkeit, ein langsamer Ausbau der erneuerbaren Energien sowie der Fachkräftemangel genannt. Abschließend konnten die Automobilzulieferer angeben, welche wirtschaftspolitischen Maßnahmen sie als besonders hilfreich erachten. Von der Politik wünschen sie sich vor allem niedrigere Steuern und Energiekosten, Bürokratieabbau, einen schnelleren Ausbau der Ladeinfrastrukturen und eine stärkere Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Dies sind letztlich Maßnahmen, welche die Risiken der Unternehmen zwar nicht beseitigen, so doch erheblich senken können.
Politik muss Rahmenbedingungen für E-Transformation schaffen

VDA-Präsidentin Hildegard Müller sieht die deutschen Automobilzulieferer zwar insgesamt auf einem guten Weg. Sie mahnt jedoch von der Politik die erforderlichen Rahmenbedingungen ein, welche die unternehmerischen Risiken für die mittelstands-geprägte Zuliefererindustrie kalkulierbar machen: „Die Unternehmen schreiten bei der Transformation voran. Das bedeutet jedoch gewaltige Investitionen und damit große Herausforderungen – gerade für die mittelständisch geprägte Zuliefererlandschaft. Viele investieren hier deutlich mehr als sie aktuell daran verdienen können. Deshalb benötigen die Unternehmen jetzt die richtige Unterstützung und Planungssicherheit. Für eine erfolgreiche und nachhaltige Transformation sind jetzt auch die weiteren politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entscheidend – bei der Ladeinfrastruktur, beim Ausbau der erneuerbaren Energien, beim Bürokratieabbau, bei der Fachkräfteausbildung und bei der Schaffung verständlicher und handhabbarer Anforderungen an die Nachhaltigkeit ist die Politik jetzt gefragt.“
E-Transformation – Zukunft keinesfalls sicher
Gerade im Bereich der für die Elektromobilität benötigten Infrastrukturen hinkt der Strom-Anbietermarkt sowohl hinsichtlich der Ertüchtigung der Netze für die E-Mobilität hinterher, als auch der Anbietermarkt von öffentlichen Ladepunkten für eine flächendeckende Elektromobilität den Entwicklungen in der Automobilindustrie weit hinterher. Zwar brachte die deutsche Bundesregierung in den letzten Jahren etliche Gesetze und Förderungen beispielsweise für das öffentliche und private Aufstellen von Ladepunkten auf den Weg, ob das jedoch ausreicht, die Nachfrage nach Elektroautos so zu beschleunigen, dass eine wirtschaftliche Produktion der Fahrzeuge und damit auch der Komponenten möglich ist, ist mehr als fraglich.
Kein Markt trotz Milliardenförderungen. So gibt es beispielsweise seit 2017 bis zu 30.000,- Euro Förderung pro öffentlich aufgestellten Schnellladepunkt. Das hat jedoch nicht für einen flächendeckenden Ausbau ausgereicht. Und seit November 2020 können auch private Eigentümer und Wohnungseigentümergemeinschaften sowie Mieter und Vermieter Fördermittel bis zu 900,- Euro pro Ladepunkt an privat genutzten Stellplätzen beantragen. Dies hat jedoch lediglich ausgereicht, dass Wohlhabende auf Elektroautos umstiegen. Und dies wurde dann auch nur durch Förderungen beim Kauf eines solchen Fahrzeugs erreicht. Die breite Masse kann sich, trotz Milliarden-Förderprogrammen des Staates derzeit kein Elektroauto leisten. Ein sich selbst entwickelter Markt für Elektroautos ist daher in Deutschland derzeit faktisch nicht existent. Dies zeigt auch eine jüngste Studie von DB Research. Die Zukunft der deutschen Zulieferer ist somit unsicher und das unternehmerische Risiko für enorme Investitionen in die Transformationen unverhältnismäßig hoch. Für viele der Unternehmen
Kurzinfo zum befragten Sample
Die Befragung zur Transformationsstudie haben Deloitte und der VDA im Frühjahr 2021 online durchgeführt. 83 Unternehmen der VDA-Herstellergruppe III (Kfz-Zulieferer – Teile und Zubehör) haben daran teilgenommen. Wenn für die Unternehmen nicht relevant, konnten sie einzelne Fragen bei der Umfrage überspringen. Die prozentualen Angaben beziehen sich daher auf die jeweilige Anzahl der abgegebenen Antworten (Fallzahl). Bei manchen Fragen waren zudem Mehrfachnennungen möglich.
Verband der Automobilindustrie