E-MOBILITÄT – Teuer erkaufter Umstieg mit sozialer Schieflage

E-Mobilität – Elektroautos leisten einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Aber nicht nur deswegen ist in Deutschland die Nachfrage danach signifikant gestiegen. Wesentliche Treiber der Entwicklung sind vielmehr strenge CO2-Regeln sowie fiskalische Maßnahmen, welche den Umstieg auf alternative Antriebe erleichtern. Davon profitieren derzeit jedoch hauptsächlich Wohlhabende. Geringer Verdienende können die fiskalischen Vorteile von Elektroautos kaum lukrieren. Das bestätigt eine aktuelle Untersuchung von DB Research.

Die Zeit ist knapp. (Foto: Lupo / www.pixelio.de)
Die Zeit ist knapp. Es bedarf daher der Anstrengung sämtlicher Teilnehmer der Gesellschaft, die vielfältigen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft wie den Klimawandel, E-Mobilität und Industrie 4.0 zu meistern. Eine Klientelpolitik, wie sie bislang Gang und Gäbe war, dürfte darum der Vergangenheit angehören. (Foto: Lupo / www.pixelio.de)

Die Nachfrage nach Elektroautos ist zuletzt signifikant gestiegen. Der Anteil von batterieelektrischen Autos (BEV) sowie von Plug-in-Hybriden (PHEV) an den gesamten Pkw-Neuzulassungen lag in Deutschland im ersten Halbjahr 2021 bereits bei über 22 Prozent. Damit liegt Deutschland deutlich über dem Durchschnitt der EU. Das ergab eine aktuelle Studie „Vorfahrt der E-Mobilität vom Staat teuer erkauft“ von DB-Research

E-Mobilität kostet dem Steuerzahler Milliarden

Demnach sind die zwei wesentlichen Treiber für diese Entwicklung zum Einen strenge CO2-Grenzwerte für Pkw in der EU kombiniert mit der regulatorischen Einstufung von Elektroautos als Null-Emissionsfahrzeuge. Zum Anderen bietet Deutschland hohe staatliche Förderungen und fiskalische Anreize für den Kauf von Elektroautos. Sind die steuerlichen Anreize für Privatnutzer schon hoch, werden sie umso größer, wenn Elektrofahrzeuge in Firmen genutzt werden. Ohne dieses staatliche  Förderungsregime gäbe es allerdings keinen relevanten Automarkt, in dem Elektroautos auf hohe Marktanteile kommen, analysieren die beiden Studienautoren Eric Heymann und Katharina Knuth.

20.000 Euro aus der Staatskasse. Und diese Maßnahmen kommen den Steuerzahler teuer zu stehen. So errechneten E. Heymann und K. Knuth fiskalische Effekte über die gesamte Nutzungsdauer eines Elektroautos von mehr als 20.000,- Euro, wenn in der gehobenen Mittelklasse ein BEV statt eines Autos mit Verbrennungsmotor genutzt wird. Diese Summe ergibt sich aus direkten direkte Förderungen beim Kauf eines E-Pkw plus geringere Steuereinnahmen, die ein BEV oder ein Hybridfahrzeug dem Staat bringen. Zum Vergleich: Die Ausgaben der öffentlichen Haushalte pro Schüler lagen in Deutschland im Jahr 2019 bei 8.200,- Euro. Mit anderen Worten: Mit einem herkömmlichen Auto ist die Ausbildung der Kinder nahezu über die gesamten Schulzeit bis zu ihren Abschlussprüfungen voll finanziert, mit einem Elektroauto fehlen gleich mehrere Jahre.

Förderung der Ladeinfrastruktur. Um einen breiteren Ausbau der Ladeinfrastruktur für die E-Mobilität zu unterstützen, vergibt die Bundesrepublik Deutschland zudem über die Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, Fördermittel in Höhe von 900,- Euro für den Erwerb und die Installation eines Ladepunkts auf einem privaten Grundstück. Der Bund stellt außerdem für den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur insgesamt über fünf Milliarden Euro bereit. Zusätzliche Fördermittel für die Installation von Ladestationen können bei Ländern, Landkreisen, Städten und privaten Stromversorgern beantragt werden.

E-Mobilität führt zu sozialen Schieflagen

Beim Blick auf die fiskalischen Effekte sowie der Infrastrukturförderungen für Privatgrundstücke fällt daher rasch auf, dass die so finanzierte Elektromobilität zu einer sozialen Schieflage in Richtung einkommensschwächerer Gesellschaftsschichten führt. „Besserverdiener profitieren aktuell am meisten von den Fördermaßnahmen, während Geringverdiener mit eigenem Auto, gemessen an ihrem verfügbaren Einkommen, letztlich einen hohen Teil der Fördermaßnahmen zahlen“, heißt es in der db research-Studie. Außerdem haben einkommensschwache Personen und Familien eher selten eigene Grundstücke und die finanziellen Mittel für die Installation einer eigenen Elektro-Infrastruktur für ihren E-Pkw. Wenn Subventionen für BEVs in Zukunft also heruntergefahren werden sollten, besteht neben einem generellen Dämpfer bei der Nachfrage danach auch die Gefahr, dass einkommensschwache Haushalte quasi dafür bestraft werden, dass sie sich kein förderfähiges Elektroauto leisten können, so die Conclusio der Studienautoren. Somit muss die Politik an dieser Stelle nachhaltige Steuermodelle entwickeln, welche die industrielle Transformation in Richtung Klimaschutz sozial verträglich machen, ohne dabei jedoch die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland zu gefährden. Dies kommt nach heutigem Wissensstand quasi der Quadratur eines Kreises gleich.

Klimaschutz kostet Milliarden  

E-Mobilität (Foto: Alexander Hauk / www.pixelio.de)
E-Mobilität – Der Markt für Elektroautos existiert de facto noch nicht und wird nur mit staatlichen Mitteln belebt. (Foto: Alexander Hauk / www.pixelio.de)

Unbestritten ist jedoch trotz sämtlicher Herausforderungen im Zusammenhang mit der Elektromobilität, dass der Umstieg darauf ein wichtiger Beitrag für den Klimaschutz ist. Dieser Beitrag wird durch technischen Fortschritt und Größenvorteile in der Produktion künftig weiter wachsen, zumindest dann, wenn die Automobilindustrie und andere Industrien am Industriestandort Deutschland gehalten werden können. Vorerst ist der geplante Klimaeffekt aber noch klein und wird teuer erkauft. Die CO2-Vermeidungskosten beim Automobilbau und anderswo können die Schwelle von 1.000,- Euro pro Tonne übersteigen. Im Emissionshandel liegen sie hingegen lediglich bei gut Euro 50 pro Tonne. Der Anreiz, CO2 zu vermeiden, ist somit gering oder mit anderen Worten: Das aktuelle regulatorische Förderregime genügt den Kriterien der ökonomischen Effizienz und der ökologischen Effektivität bei weitem nicht. Wahrscheinlich ist daher, dass viele Schwellenländer in den kommenden Jahren nicht in großem Umfang auf Elektromobilität umsteigen werden und bei verbrennungsmotorisch angetriebenen Fahrzeugen bleiben. Für diese Länder bedarf es somit alternativer CO2-armer Kraftstoffe, damit die Emissionen des Verkehrssektors auch dort sinken können.

14 Millionen Elektroautos bis 2030?

Dennoch hat sich die deutsche Bundesregierung zum Ziel gesetzt, dass bis 2030 bis zu zehn Millionen BEVs (Pkw und LKW) auf den deutschen Straßen rollen. Ob dieses Ziel erreichbar ist, scheint derzeit fraglich, denn das im letzten Jahrzehnt für 2020 angepeilte Ziel, einen Bestand von einer Millionen Elektroautos zu erreichen, wurde nur dank üppiger Subventionen im Zuge der Coronakrise mit gut einem halben Jahr Verspätung erreicht.

14 Millionen Autos für Klimaziele nötig. Zwei Gutachten im Auftrag des Wirtschafts- und des Umweltministeriums aus dem Frühjahr 2020 beschäftigen sich daher mit der Frage, wie diese hoch gesteckten Ziele erreicht werden können. Unter den Rahmenbedingungen, die zum Zeitpunkt galten, als die Gutachten erstellt wurden, rechnete das Wirtschaftsministerium mit 7,1 Millionen Elektroautos im Jahr 2030, das Umweltministerium jedoch nur mit 5,6 Millionen. „Ein Bericht der Arbeitsgruppe 1 ‚Klimaschutz im Verkehr‘ der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) führt allerdings aus, dass bis 2030 sogar etwa 14 Millionen Elektroautos im Fahrzeugbestand notwendig wären, um die ambitionierten und zuletzt verschärften Klimaschutzziele der Bundesregierung zu erreichen“, führen E. Heymann und K Knuth in ihrer Studie aus. Zudem müssten bis dahin mehr als drei Viertel der Pkw-Neuzulassungen auf einen elektrischen Antrieb entfallen. Die Bundesregierung hat daher zuletzt das Ziel von 14 Millionen Elektroautos bis 2030 aufgegriffen.

E-Mobilität – Die Zeit wird knapp

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass der Umstieg auf E-Mobilität das Automobilland Deutschland vor enorme Herausforderungen stellt. Bedenkt man, dass die Weltwirtschaft nicht nur die Coronakrise zu bewältigen hat, sondern außerdem mitten in der sogenannten vierten Industriellen Revolution steckt, bei der in der Industrie faktisch kein Stein auf dem anderen bleibt, stellt sich die Frage, wie lange diese Entwicklung ohne Friktionen und soziale Unruhen über die Bühne gehen kann. Die Zeit wird knapp. Es bedarf daher der Anstrengung sämtlicher Teilnehmer der Gesellschaft, diese Herausforderungen zu meistern. Eine Klientelpolitik, wie sie bislang Gang und Gäbe war, dürfte darum der Vergangenheit angehören. Deutschland wählt im Herbst 2021. Es wird sich dann zeigen, ob die zur Wahl stehenden Politiker in der Lage sind, über ihre eigenen Schatten zu springen und Kompromisse zu schließen, um die anstehenden Herausforderungen im Sinne der breiten Masse zu meistern. Eine Förderpolitik für Wohlhabende, wie sie bei der Elektromobilität derzeit Praxis ist, dürfte dann für keine der zur Wahl stehenden Parteien und Politiker mehr opportun sein.

(Die gesamte Studie finden Interessenten mit einem Klick hier. dbresearch.de)

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