DONAURAUM – Europas größte zusammenhängende Region

Donauraum - Von Wien aus organisieren viele Unternehmen ihre Expansion in den Donuaraum (Foto: : Helga Gross / www.pixelio.de)
Donauraum – Von Wien aus organisieren viele Unternehmen ihre Expansion in den Donuaraum (Foto: : Helga Gross / www.pixelio.de)

Seit Jahrhunderten ist die Donau einer der wichtigsten Transportwege Europas, der durch die Teilung nach dem zweiten Weltkrieg und dessen Nachwirkungen unterbrochen wurde. Die Einigung Europas ab 1989 erweckte die Hoffnung, die Pulsader zu neuem Leben erwecken zu können. Gleichzeitig sollte der Donauraum wirtschaftlich erschlossen werden. Der Euphorie von damals ist frustrierten Pragmatismus gewichen. Mit verantwortlich dafür : Wladimir Putin.  (Ein Bericht von HaJo Schlobach)

Die Donau: Mit 2.857 Kilometern Länge ist sie Europas längster Fluss nach der Wolga. Zehn Länder und Kulturmetropolen wie etwa Wien, Bratislava oder Budapest liegen an ihren beschaulichen Ufern, an denen sich tagelang entlang wandern ließe. Seit Menschen Gedenken beschäftigt der Fluss seine Bewohner – als Lebensader, die für Nahrung sorgt und die Völker Europas verbindet. Seit Jahrhunderten inspiriert die Donau Gelehrte und Künstler gleichermaßen. Sie galt lange Zeit als launisch, nicht selten trat sie bei Hochwasser über die Ufer, um sich ein neues Bett zu suchen. Noch in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts setzte sie beispielsweise Wien regelmäßig unter Wasser, bis man dort ein Entlastungsgerinne baute und der Dame ein Korsett anlegte. Heute gilt sie, nach Jahrzehnten permanenter Bauarbeiten, weitgehend als gezähmt. Nur manchmal zeigt sie noch ihre Kraft und deutet dann mit Macht an, dass sie sich nicht zwingen lassen will.

Weltweit einzigartig. Heute gilt die Donau zwar weniger als zukunftsträchtiger Verkehrsweg durch Europa, jedoch als Fluss, welcher zehn Länder und ihre Kulturen miteinander verbindet: Deutschland, Österreich, Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Bulgarien, RumänienMoldawien und die Ukraine. Das ist einzigartig in der Welt.

Rom und die Donau

Dabei diente der Strom schon in der Bronzezeit als Verkehrsader und bereits die Römer richteten auf ihr Linienverkehre ein, die Waren und Personen transportierten. Die Römer erkannten aber auch die strategische Bedeutung des Stromes. Sie wussten, dass die Beherrschung der Donau die Kontrolle über die südosteuropäischen Provinzen bedeutete. Denn über sie ließen sich schon damals – ähnlich wie am Rhein – rasche Truppenbewegungen durchführen und die Pax Romana wenn nötig mit Waffengewalt durchsetzen. Jahrhunderte später nutzte auch Kaiserin Maria Theresia den Strom für ihre Kolonialisierungs- und Besiedelungspolitik in Südosteuropa.

Donauraum – Eine wechselhafte Historie

Die Zeit der Industrialisierung brachte auch eine Blüte der Länder entlang des Donaustromes. Länder wie Rumänien, eine Kornkammer des Habsburgerreiches, rückte wegen seines Rohstoffreichtums in den Fokus kaiserlicher Wirtschaftspolitik – und damit auch Europas. Vor allem Massengüter wie Getreide, Kohle, Erze, Holz usw. sollten künftig über den riesigen Binnenschifffahrtsweg transportiert werden.

Donauraum - Hauptstadt der Slowakei, Bratislava, hat sich zur Boom-Town gewandelt. (Foto: Ruth Rudolph / www.pixelio.de)
Donauraum – Hauptstadt der Slowakei, Bratislava, hat sich zur Boom-Town gewandelt. (Foto: Ruth Rudolph / www.pixelio.de)

Donauraum – Relikt Sulina. Vom Pioniergeist dieser Zeit kündet die kleine, längst vergessene Hafenstadt Sulina am Donau-Delta in Rumänien. Rund um die Stadt, die noch vor rund hundert Jahren eine kleine, aber international aufstrebende Hafenstadt war, ist heute nur noch Sumpflandschaft. 1856 wurde sie jedoch zum Sitz der Europäischen Donaukommission auserkoren, der internationalen Verwaltung der Donau-Schifffahrt. Die kleine Hafenstadt beherbergte mit dem Freihafen nicht nur etliche Konsulate, sondern beheimatete gewissermaßen Europa, denn hier wohnten mehrere Tausend Griechen, Rumänen und Russen, Armenier und Türken, aber auch Österreicher, Ungarn und Albaner, Deutsche, Italiener, Bulgaren, Polen und viele andere Nationalitäten.

WK II: Beginn eines Niedergangs. Dann, mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, kam das abrupte Ende der Donau als Verkehrsweg quer durch Europa – und damit auch der Donauschifffahrt. Die Europäische Donaukommission wurde aufgelöst und die Stadt wieder zu dem, was sie im Grunde immer war: eine Siedlung am Ende der Welt, ohne nennenswerte Verbindungen zur Außenwelt. Heute leben rund 4.000 Menschen in Sulina, umgeben von Sumpf und Schilfland. Bis heute ist Sulina nur mit dem Boot zu erreichen, denn der morastige Untergrund trägt keine einzige Straße. Was wie eine grüne Ebene wirkt, trügt: Hier ist nur wenig fester Boden in Sicht. Karten und Wegbeschreibungen sind Makulatur, denn jeden Tag zeigt sich das Delta ein wenig anders. Wo gestern noch ein See war, kann heute eine dichte Schilfinsel schwimmen.

Ende als Anfang der Wende. Das Ende des zweiten Weltkriegs brachte der Donauregion zwar die Befreiung von der zerstörerischen Diktatur des Hitler-Faschismus, diese wurde aber in Rumänien durch die brutale sozialistisch-stalinistische Diktatur des Ceauşescu-Regimes ersetzt. Diese und die sozialistischen Diktaturen der anderen südosteuropäischen Donaustaaten führten ihre Länder in bittere Armut. Von Fortschritt keine Spur und noch weniger von Freiheit, der Basis wirtschaftlichen Wohlstands und kulturellen Fortschritts.

Seit Menschen Gedenken beschäftigt der Fluss seine Bewohner – als Lebensader, die für Nahrung sorgt und die Völker Europas verbindet.

Das Weiterstolpern einer Region

Erst das Ende der sozialistischen Diktaturen in Osteuropa und dem Fall des Eisernen Vorhangs, der letztlich durch den damaligen russischen Parteisekretär Michail Gorbatschow mit Glasnost und Perestroika eingeläutet wurde, kämpft sich die Donauregion wieder zurück nach Europa – und damit zu mehr Wohlstand. Seitdem richtet sich aber auch der kulturelle und ökonomische Fokus Westeuropas wieder auf die Länder Ost- und Südosteuropas.

Euphorische Wirtschaftsziele. „Es wächst zusammen, was zusammen gehört“, sagte einst der große Europäer und ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt. Der Internationalist und überzeugte Europäer meinte damit nicht nur die Einheit Deutschlands im Jahr 1991, sondern ganz Europas. Und in der Tat: Die Donauregion gilt heute noch immer als Zukunftshoffnung ganz Europas, sowohl im politischen als auch im ökonomischen Sinn. Das sollte auch die Donauraumstrategie der EU demonstrieren. Die Wirtschaft in dieser Region sollte damit einen Schub bekommen. Der damalige WKO-Präsident, Christoph Leitl, äußerte sich 2010, als die Strategie durch die EU-Kommission publik wurde, so: „Die Donauraum-Strategie der EU soll die Region wirtschaftlich, ökologisch und sozial aufwerten.“

Ökologischer Aufbau. Besonders die Verbesserung der wirtschaftlichen Kooperationen in der Donauregion mit dem besonderen Ziel der Erschließung der Schwarzmeerregion sah man damals in der WKO – und nicht nur dort – als besonders bedeutend. Dies sollte unter der Maßgabe der Ökologie geschehen. „Die Wasserstraße Donau kann nur dann am Transportmarkt eine wesentliche Rolle spielen, wenn die Verlässlichkeit der Schifffahrt ganzjährig gesichert ist“, betont C. Leitl damals.

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Euphorie weicht Pragmatismus

Allerdings ist der Euphorie von damals einem sachlichen, fast frustrierten Pragmatismus gewichen. War man noch im Jahr 2010, als die Donaurauminitiative der EU ins Leben gerufen wurde, vor Begeisterung und Optimismus davon beseelt, der Donauregion wirtschaftliches Leben wieder einzuhauchen und den Demokratisierungsprozess der ehemaligen Ostblockstaaten vorantreiben zu können, muss heute festgestellt werden, dass man damit nur bis zur Hälfte gekommen ist.

Wirtschaftliche Teilerfolge. Zwar gibt es Teilerfolge insbesondere wirtschaftlicher Art wie etwa in Polen, Rumänien, der Slowakei oder Tschechien. Die Ökonomien entwickeln sich seit 2010 wirtschaftlich gut. Doch hat hier seit 2010 bis heute eine Entdemokratisierung stattgefunden, die als „EU-Skepsis“ daher kommt. Länder wie Polen oder Ungarn sehen sich deswegen ständig wegen Verletzungen des Vertrags von Lissabon vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Staatschefs wie Viktor Orban und Parteien wie Fidesz gerieren sich als Vertreter eines Konservatismus, die dem Faschismus der Vorkriegszeit offenbar näher stehen wollen als dem Liberalismus der Nachkriegszeit. Sie rufen zur Bildung „illiberaler Demokratien“ aus. Ihr deklariertes Ziel: Die Schwächung der EU mit ihrer liberalen Organisation. Sie steht für Menschenwürde, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und steht im diametralen Widerspruch zur „illiberalen Demokratie“. Diese ist letztlich nichts anderes als Autokratie mit demokratischer Hülle. Dabei schielen die Staatschefs des Konservatismus ins russische Reich Wladimir Putins und sympathisieren mal mehr und mal weniger offen mit dessen autokratische Staatsführung.

Die Verantwortung W. Putins

W. Putin dürfte daher maßgeblich mit verantwortlich dafür sein, dass sich der Donauraum nicht so entwickelt hat, wie man sich das in Brüssel und in den „Altländern“ der EU nach dem Fall des „Eisernen Vorhanges“ vorgestellt und erhofft hat. Dort war man der Ansicht, dass die Demokratie durch mehr Wohlstand entwickeln lässt. Die Vorbilder waren die ehemaligen Diktaturen Griechenlands, Portugals und Spaniens. Diese Länder sind heute gefestigte Demokratien.

Donau als Zugang zum Meer kaum nutzbar. Der Unterschied zu diesen Ländern ist jedoch, dass sie sich von Innen heraus politisch in Richtung Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit weiterentwickeln durften. Ihr Entwicklungsprozess wurde nicht von aggressiv agierenden Diktatoren wie W. Putin permanent gestört und torpediert. W. Putin, der vom Sowjetimperium schwärmt und die Auflösung des Warschauer Pakts als persönliche Schmach und Schmach für Russland empfindet, betreibt in den ehemaligen Ostblockstaaten eine kalte Revisionspolitik. So verzettelte der russische Staatschef die Ukraine in einen „heißen Krieg“, der bis heute als Rebellion getarnt ist und mittlerweile beinahe 15.000 Menschen das Leben kostete. Gleichzeitig ließ er die Krim völkerrechtswidrig durch russische Truppen annektieren. Damit sicherte er sich nicht nur große Erdgasvorkommen vor der Küste der Halbinsel, sondern er kann heute sämtliche Handelswege über die Seidenstraße, dem Schwarzen Meer nach Europa bequem kontrollieren. Die Donau selbst ist so nur bedingt als offener Zugang zum Meer nutzbar.

Offene und verdeckte Einmischungen. Zudem mischt sich Russland durch die Unterstützung von EU-Gegnern wie Viktor Orban oder Parteien wie Ressemblement Nationale sowie teilweise ganz offen in Wahlen wie in Moldawien ein. Selbst während der Coronakrise präsentierte sich der Russe als „Helfende Hand“ und schickte öffentlichkeitswirksam „Hilfen“ beispielsweise nach Italien. Diese erwiesen sich dann als unbrauchbar, weil es sich um schwere Dekontaminationsgeräte für Panzer, die nach Atomangriffen oder ähnlichem eingesetzt werden.

Die „illiberale Demokratie“ Russlands. Gleichzeitig verwandelt Viktor Orban Ungarn mit W. Putins Unterstützung in eine „illiberale Demokratie“ nach russischem Vorbild. Hinzu kommen die engen Verbindungen Russlands in die Balkanstaaten, nach Bulgarien usw. zu Personen, welche der Russischen Föderation mit ihren Diktatoren und ihren Oligarchen näher stehen als den liberalen, demokratischen Rechtsstaaten der EU. Vor so einem Hintergrund wird deutlich, wo das eigentliche Problem liegt und dass der Donauraum nur prosperieren kann, wenn der Einfluss Russlands und W. Putins zurück gedrängt wird.

Rumänien und die Korruption. So lange W. Putin seine Hand nach Osteuropa ausstreckt, dürfte auch das einstige Hoffnungsland Rumänien seine Korruption nicht in den Griff bekommen. Diese verhinderte bislang die wirtschaftliche Weiterentwicklung einerseits. Andererseits kommt das Land deswegen nicht in den Schengen-Raum und somit nicht in die Euro-Zone. Die Hoffnung auf Besserung in der Korruptionsbekämpfungen liegen derzeit in der Parlamentswahl, die dieser Tage in Rumänien abgehalten wird. Ob die Hoffnung aber Realität wird, wird sich erst mittelfristig zeigen.

Rumänien bleibt dennoch interessant. Für Europa und die EU wäre aber gerade Rumänien besonders interessant, weil noch immer weitgehend unerschlossen. Hier leben zudem Menschen, die sich mit persönlichen Opfern selbst aus ihren Diktaturen befreit haben um ihre Zukunft selbst bestimmen zu können. Menschen, die wissen, welchen hohen Wert „Freiheit“ hat, und die nun teilweise ungestüm ihr Recht auf Wohlstand und ihren Platz in Europa einfordern.

Glücksfall für Europa

Donauraum - Sulina war einst das Zentrum der Donauschifffahrt (Foto: Helga Ewert/www.pixelio.de)
Donauraum – Sulina war einst das Zentrum der Donauschifffahrt (Foto: Helga Ewert/www.pixelio.de)

Die Länder der EU profitieren somit in erheblichem Maße vom Aufstreben der Donauregion. Liegen doch hier nach wie vor nahezu unerschlossene Absatzmärkte. Nicht ohne Grund haben sich daher mehr als 300 Headquarters internationaler Konzerne und Unternehmen in Wien angesiedelt, um von hier aus ihre Geschäfte nach Osten abzuwickeln. Sie nutzen dabei die besondere Expertise der Alpenrepublik in diese Region. Wo sonst trifft man so viele Personen, die mit den Sprachen der Donau-Länder vertraut sind? Wo sonst findet ein solcherart reger Wissenstransfer unter den Sprachen und Kulturen zwischen Ost und West statt?

Wien hat Expertise. „Nicht wenige Logistik-Studenten an der Fachhochschule des bfi Wien haben als Muttersprache Rumänisch, Bulgarisch, Tschechisch oder Ungarisch“, erzählt beispielsweise Prof. Andreas Breinbauer, Vorstand der FH des bfi in Wien und weiter: „Hier hat Wien eine echte Expertise.“ Die wachsende Bedeutung der Region wird aber nicht nur durch die Ansiedelungen von Headquarters deutlich sondern auch durch die Bemühungen großer Logistik-Organisationen. Hier tut sich etwa der Logistiker Gebrüder Weiss hervor. Das Unternehmen investiert laufend in die eigene Infrastruktur entlang der Donau. Das Unternehmen wartet mit neuen Logistikzentren und mehrmodalen Anbindungen auf, welche den raschen Nachlauf garantieren. Erklärtes Ziel ist es dabei, die Warenströme von Nordwesten nach Südosten Europas und zurück zu kanalisieren und effizient zu gestalten.


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