Der südost-asiatische Staat Vietnam gilt gemeinhin als Dritte-Welt-Land mit enormem Wachstumspotenzial. Für die Milchtrinker des tropischen Millionenvolkes wurde vor zwei Jahren ein Hightech-Distributionszentrum gebaut, das jetzt seine volle Kapazität erreicht hat.
So etwas hat es in Vietnam bislang nicht gegeben. Bereits die Präsenz hochrangiger Regierungsvertreter bei der offiziellen Inbetriebnahme vor eineinhalb Jahren unterstrich die hohe Bedeutung des Projektes, das SSI Schäfer in der südvietnamesischen Provinz Binh Duong fertiggestellt hat. Auf einer Fläche von mehr als 20 Hektar gab dort die Viet Nam Dairy Products Joint-Stock Company (Vinamilk) im My Phuoc Industrial Park die Errichtung ihrer ersten „Mega-Factory“ in Auftrag. 400 Millionen Liter Milch werden an dem Produktionsstandort pro Jahr verarbeitet und distribuiert. Im April 2014 begann zudem die Herstellung von Babynahrung. Heuer soll die Produktionsmenge auf 800 Millionen Liter anwachsen. „Mit dieser Fabrik steht hier eine der modernsten Molkereien der Welt“, betonte Vietnams Vize-Premier Hoang Trung Hai während der Eröffnungsfeier stolz.
„Mit dieser Fabrik steht hier eine der modernsten Molkereien der Welt.“ Vize-Premier von Vietnam, Hoang Trung Hai
Distribution für ganz Vietnam
Tatsächlich kann das Produktionsvolumen der „Mega-Fabrik“ große Teile der Nachfrage an flüssiger Milch für den gesamten vietnamesischen Markt decken. So ist die Fabrik vom Wareneingang der Milch und Grundstoffe bis zum Endproduktspeicher voll automatisiert. „Gesteuert von einem zentralen IT-System gewährleistet uns das beste Produktqualität und höchste Effizienz in Produktion und Lager“, sagt Mai Kieu Lien, die Unternehmensvorsitzende von Vinamilk. Den Zuschlag für Konzeption, Planung und Ausführung dieses Endproduktlagers und Hightech-Distributionszentrums erhielt nach einer internationalen Ausschreibung SSI Schäfer in Giebelstadt. Als Generalunternehmer sorgte der Intralogistik-Spezialist für die schlüsselfertige Erstellung des Lagerkomplexes mit Hochregallager (HRL), Vorzone, Kommissionier- und Versandbereich – inklusive Bodenplatte, Dach, Wand, Haustechnik und Sprinkleranlage.
Steuerung aus Österreich
Das Hightech-Distributionszentrum befindet sich direkt neben den Produktionsgebäuden. Über zwei Transferstationen gelangen die in TetraPaks abgefüllten, kartonierten und palettierten Milchprodukte in das „Smart Warehouse“. Dort übernimmt die Logistiksoftware Wamas von SSI Schäfer in Österreich nicht nur die Lagerverwaltung, sondern auch die Steuerung der Materialflüsse und Kommissionierprozesse. Eine integrierte Visualisierung bietet zudem hohe Transparenz über Anlagenauslastung und Bearbeitungsstände. „Die Logistiksoftware kommuniziert direkt mit unserem ERP-System sowie dem Produktions-Management-System TetraPlant-Master. Das bietet uns hohe Transparenz und erlaubt ein optimales Tracing unserer Produkte“, kommentiert Dung.
Erste Elektrobodenbahn
Die deutsch-österreichischen Anlagenbauer haben einen vollautomatischen und dynamischen Systemloop mit schienengeführten Fahrzeugen installiert, um beide Übergabestationen von der Produktion zu bedienen. Das schienengebundene Transportsystem bildet das Herzstück der automatisierten Materialflüsse im Logistikzentrum von Vinamilk. Denn mit ihren 15 Fahrzeugen versorgt es alle Bedarfsstellen im Logistikzentrum mit den Paletten aus der Produktion. „Das ist das erste Mal, dass wir in Südostasien eine Elektrobodenbahn für intralogistische Materialflüsse einsetzen“, erklärt Carsten Spiegelberg, General Manager Systems and Automation, Schaefer Systems International das Konzept. Sie ermöglicht effiziente Materialflüsse bei geringem Platzbedarf. Außerdem lässt sich der Schienenweg im Hinblick auf neue Produktionslinien und zusätzliche Gassen ausbauen, um künftigen Erweiterungen Rechnung zu tragen.
Enge Kurven. Mit seinem engen Kurvenradius und der platzsparenden Streckenführung bildet der gut 370 m lange Schienenweg der Elektrobodenbahn (EBB) im Anlagenlayout eine „T“-Form. Der oben liegende Dachstrich bildet die Schnittstelle zwischen Produktion und Lager. Die Übergabesysteme aus der Produktion befinden sich an diesem oben liegenden Dachstrich. Mit ihren doppelten Lastaufnahmemitteln übernehmen die EBB-Fahrzeuge die Paletten und verfahren sie mit einer Geschwindigkeit von 90 Metern pro Minute entgegen dem Uhrzeigersinn – entlang der rund 130 m langen Längsseite des neuen HRL – an die fast 35 m breite Stirnseite des Lagers. Dort bedienen sie auf ihrem Rundkurs zunächst die Übergabetische für die Regalbediengeräte (RBG) des achtgassigen HRL.
32 Meter hoch
Rund 32 m ragt der neue, zentrale Endproduktspeicher in die Höhe. Seine Besonderheit: Die Planer berechneten die Statik für den gesamten Hoch- und Stahlbau – von den Trägertürmen bis zu den Übergängen, Stützen und RBGs – erdbebensicher. Knapp 28.000 Stellplätze stehen in den acht HRL-Gassen für eine einfachtiefe Lagerung zur Verfügung. Sie sind auf die in Asien überwiegend eingesetzten Industriepaletten (1.000 mm x 1.200 mm) mit einem Gewicht von bis zu 1.100 kg ausgelegt. Bis zu 50 verschiedene Artikel in 3 unterschiedlichen Produktgruppen befinden sich auf Lager. Die Ein- und Auslagerung übernehmen acht RBG vom Typ Exyz, die modernste und nachhaltigste RBG-Generation, die gegenwärtig am Markt verfügbar ist.
Nach 18 Monaten. Denn mit seinen Konstruktionsmerkmalen und der kompakten Bauart nach dem Modulprinzip bietet Exyz nach Angaben des Herstellers eine Vielzahl an Effizienzvorteilen. So sind die Geräte bereits im Standard mit Energierückspeiseeinrichtungen ausgestattet. Beim Exyz sind zudem alle funktionsfähigen Einheiten in Grundmodulen vormontiert – und zwar so, dass sie komfortabel in einem Standardseecontainer verladen werden können. Mit diesem Konstruktionsprinzip ließen sich die RBG nicht nur komfortabel nach Vietnam verschiffen.
Die Grundmodule erlaubten auch eine komplett neue Montageweise vor Ort. Das war ein Grund dafür, warum das Gesamtprojekt in Vietnam inklusive Bau innerhalb von nur 18 Monaten nach Auftragsvergabe schlüsselfertig übergeben werden konnte.
Im Stundentakt
Innerhalb von 60 Minuten lagern die RBG 92 Vollpaletten aus der Produktion im HRL ein. Parallel dazu kann die EBB pro Stunde bis zu 184 Auslagerungspaletten aus dem HRL in den Versandbereich transportieren – davon sind 147 Vollpaletten und 37 gepufferte Pickpaletten oder gemischte Produktpaletten. Dazu führt der Rundkurs der EBB die Auslagerungspaletten an zwei Übergabeplätze, die sich direkt gegenüber der Stirnseite des HRL befinden. Von hier werden die Paletten an eine Förderstrecke übergeben, die zwei Verschiebewagen und einen Senkrechtförderer bedient. Jeder Verschiebewagen versorgt acht Versandbahnen mit einer Pufferstrecke von bis zu 16 Paletten pro Versandbahn. Jede dieser Bahnen ist mit Schwerkraftrollenförderern ausgestattet und bedient ein Batch, welches auf den Versand-LKW geladen wird. Ungeachtet der komplexen Warenströme können pro Stunde 188 Paletten im Versand bereitgestellt werden, davon 147 Vollpaletten und 41 Kommissionierpaletten.
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