Digitale Transformation – Die Innovationsfähigkeit entscheidet heute bei Maschinenbauern über das Potenzial zu Produktivitätssteigerungen. Dies zeigt der Global Machinery & Equipment Report 2024 des internationalen Consulters Bain. Demnach folgt die Implementierung von digitalen Tools, Industrie 4.0-Technologien und Nachhaltigkeitsmaßnahmen noch immer vielfach keiner konzertierten Strategie. Womit Maschinenbauer noch ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern können, erfahren Sie hier. (Ein Bericht von Michael Staebe, ergänzt und überarbeitet von CR HaJo Schlobach)

Maschinen- und Anlagenbauer weltweit könnten ihre Produktivität um 30 bis 50 Prozent steigern, wenn sie Innovationen in den Bereichen künstliche Intelligenz (KI), Lean sowie Digitalisierung und Nachhaltigkeit konsequent nutzen. Das ist heute das Rückgrat für die sogenannte „Fabrik der Zukunft“. Das hat nun die zweite Ausgabe des „Global Machinery & Equipment Report“ der internationalen Unternehmensberatung Bain & Company ergeben.
Digitale Transformation – Maschinenbauer stehen unter Druck
Von Lieferkettenproblemen über steigende Kundenerwartungen bis hin zu einem verschärften Wettbewerb in sich rasant wandelnden Märkten stehen Maschinenbauunternehmen heute in vielerlei Hinsicht unter enormem Druck. Der Fokus der Führungsetagen verschiebt sich infolgedessen zunehmend in Richtung Implementierung von neuen digitalen Tools und Industrie 4.0-Technologien wie etwa Künstliche Intelligenz (KI), Robotik und additiver Fertigung. Ergänzend setzen die Unternehmen auf bewährte Methodiken der operativen Exzellenz.
Digitale Transformation – Silo-Strukturen herrschen vor
„Maschinen- und Anlagenbauer verlassen sich oft noch auf die herkömmlichen Ansätze der Lean Production“, erklärt Michael Staebe, Co-Autor der Studie und Leiter der Praxisgruppe Industriegüter und -dienstleistungen in der DACH-Region. „Viele Unternehmen prüfen zwar, welche digitalen Tools sowie Industrie 4.0-Technologien sie nutzen und wie sie am besten von Nachhaltigkeitsmaßnahmen profitieren können – aber sie tun dies meist in organisatorisch voneinander getrennten Silo-Strukturen ohne Gesamtstrategie.“
Zur Fabrik der Zukunft mit digitaler Transformation
Um tatsächlich die digitale Transformation erfolgreich umzusetzen und eine Fabrik der Zukunft zu werden, welche Produktivitätsgewinne erzielt, müssen sich Maschinenbauunternehmen drei entscheidenden Herausforderungen stellen. Erstens sollten sie die neuesten Industrie-4.0-Technologien in ihre bestehenden Produktionsabläufe integrieren. Zweitens müssen sie Operative Technologie (OT) und Informationstechnologie (IT) aus betrieblicher und systemtechnischer Sicht integrieren. Und schließlich ist es von entscheidender Bedeutung, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft mit den allgemeinen Unternehmenszielen in Einklang zu bringen und die Produktionsabläufe daraufhin zu optimieren.
KI wird zur Top-Priorität der Maschinenbauer
Viele Maschinenbauunternehmen fokussieren sich bei ihrer digitalen Transformation inzwischen auf KI-Lösungen. So gaben im Rahmen weltweiter Bain-Befragungen von Führungskräften aus der Industrie 75 Prozent an, dass für sie die Einführung neuer Technologien wie KI in den Bereich Forschung und Entwicklung (F&E) oberste Priorität hat. Sind die Unternehmen Erstanwender in puncto KI, setzen sie diese vor allem in der Beschaffung, Montage, Wartung, Qualitätskontrolle und Lagerlogistik ein. Wer hingegen schon auf einige Jahre KI-Erfahrung zurückgreifen kann, nutzt diese Technologie vorzugsweise, um angesichts der anhaltenden makroökonomischen wie geopolitischen Turbulenzen seine Lieferketten resilienter und nachhaltiger zu gestalten.
Generative KI hat Potenzial in der Fertigung

Während sich die Einsatzmöglichkeiten von KI branchenübergreifend rasant entwickeln, unterstreicht die Bain-Studie das weitreichende Potenzial insbesondere der generativen KI für die Neuausrichtung des Fertigungssektors, seiner Produktivität und seiner Abläufe. So kann generative KI beispielsweise aus unstrukturierten Daten Erkenntnisse generieren, die zu drastischen Leistungsverbesserungen hinsichtlich Produktivität, Kundenservice und finanzieller Performance führen können. Zu den spezifischen Bereichen, in denen Maschinenbauunternehmen KI derzeit besonders effektiv einsetzen, gehören unter anderem die Minimierung von Montagefehlern und eine verbesserte Qualitätskontrolle, die Steigerung der Produktivität und die Straffung des Lagermanagements.
Fokus verschiebt sich von Produkten zu digitalen Lösungen
Das produzierende Gewerbe verbraucht inzwischen mehr Chips und Komponenten für das Internet der Dinge (IoT) als jede andere Branche. Dies deutet nicht zuletzt darauf, dass Maschinenbauer digitale Tools rasch adaptieren. Mehr noch: Diejenigen Unternehmen, die hier bei der Implementierung führend sind, können laut Bain-Studie ihre Gesamtaktienrendite (Total Shareholder Return) im Vergleich zum Branchendurchschnitt sogar verdoppeln.
Digitale Transformation fördert kundenspezifische Lösungen
Angesichts dieser Entwicklung vollzieht sich bei vielen Maschinenbauunternehmen im Rahmen der digitalen Transformation ein Wandel weg von der Herstellung von Standardprodukten für einen globalen Markt, hin zu mehr kundenspezifischen Lösungen, die auf ausgewählte Branchen zugeschnitten sind. Im Rahmen dieser Neuausrichtung konzentrieren sie sich auf eine geringere Anzahl von Kunden in bestimmten Tätigkeitsfeldern, während die Angebotspalette für diese Kunden gleichzeitig erhöht und die Lieferkette dadurch weniger fragmentiert wird. „Die Märkte der Zukunft definieren sich über die zielgerichtete Bedienung erfolgversprechender Kundensegmente und nicht mehr allein über Produkte“, fasst Maschinenbauexperte Michael Staebe gegenüber den Medien zusammen. „In dieser neuen Ära geht es darum, ganzheitliche Lösungspakete aus Maschine, digitalen Angeboten und damit verbundenen Dienstleistungen zu schaffen. Damit können Maschinenbauer letztlich einen schwer aufholbaren Wettbewerbsvorteil realisieren.“
Digitale Transformation – Kreislaufwirtschaft mit IoT kombinieren
Neben digitalen Tools hat das Thema Kreislaufwirtschaft an Bedeutung gewonnen. Eine kürzlich durchgeführte branchenübergreifende Bain-Befragung unter weltweit rund 400 Unternehmen hat ergeben, dass 47 Prozent der großen Maschinenbauer in dieser Hinsicht bereits Verpflichtungen eingegangen sind. Die meisten Initiativen bleiben jedoch eng gefasst und konzentrieren sich auf Recycling und Abfallreduzierung. „Viele Unternehmen stufen Kreislaufwirtschaft lediglich als eine Notwendigkeit im Rahmen der Regulierung ein“, so M. Staebe. „Einige haben sie hingegen bereits als Chance zur Wertschöpfung begriffen.“
Lieferketten straffer gestalten
Laut der Bain-Studie erzielen Unternehmen, die Kreislaufwirtschaft in ihre Betriebsabläufe integriert haben und mit IoT-Technologien kombinieren, besonders umfangreiche Effizienz- und Nachhaltigkeitsgewinne. Wer bereits über zirkuläre Lieferketten verfügt, profitiert beispielsweise von bis zu 28 Prozent weniger Materialverbrauch. Das reduziert nicht zuletzt die Abhängigkeit von knappen Rohstoffen. Zudem sind diese Vorreiter resilienter: So litten zwei Drittel Prozent der Unternehmen mit zirkulären Lieferketten während der Corona-Pandemie nicht unter Einschränkungen – gegenüber nur zwei Prozent bei denjenigen mit herkömmlichem Supply-Chain-Ansatz.
IoT-Daten vielfältig nutzbar

Die IoT-Daten, die in diesem Zusammenhang gesammelt werden, bieten darüber hinaus enorme Möglichkeiten, den Wert und die Lebensdauer unter anderem ihrer Maschinen und Produktionsanlagen so lange wie möglich zu erhalten, die Energieeffizienz zu verbessern und den Ressourcenverbrauch zu reduzieren. „Zirkuläre Geschäftsmodelle sind auf vernetzte Maschinen und die daraus generierten Daten angewiesen“, betont Bain-Partner Staebe. „Führende Unternehmen können mit der richtigen Strategie in den nächsten rund 20 Jahren neue Kundengruppen und Einnahmequellen erschließen sowie ihre Lieferketten widerstandsfähiger machen.“
Bain in Kürze
Bain & Company ist eine international agierende Strategieberatung mit rund 12.000 Mitarbeitern. Das Unternehmen unterhält 59 Büros in 37 Ländern und operiert industrie- und länderübergreifend. Sie berät bei Entscheidungen zu Strategie, Marketing, Organisation, Unternehmensrestrukturierung, Performance-Verbesserung, Ergebniserbringung, Informationstechnologie sowie M&A. Insbesondere im außerbörslichen Bereich des Finanzsektors („Private Equity“) hat Bain & Co. nach eigener Darstellung eine überragende Marktstellung.
Die Unternehmensberatung wurde 1973 von sieben Beschäftigten der Boston Consulting Group, darunter Bill Bain, gegründet. Erster Unternehmenssitz war Lexington Massachusetts (USA); Ende der 1970er Jahre wurde der Unternehmenshauptsitz nach Boston verlegt. Das erste Büro in Deutschland wurde 1982 in München eröffnet, das heute Hauptsitz im deutschsprachigen Raum ist. Weitere Büros finden sich in Berlin, Düsseldorf Frankfurt am Main. Weitere Büros im deutschsprachigen Raum sind in Wien und Zürich.
(*Der Studien-Co-Autor Michael Staebe ist Consultant bei Bain in München. Ihn sowie weitere Bain-Industrieexperten stehen auf der Hannover Messe für Pressegespräche zur Verfügung. (Hannover Messe; Halle 15 / Stand D76)
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