DIGITAL KEP – Der hybride Kunde ist Wirklichkeit

Die Digitalisierung und Smartphones haben den hybriden Kunden geschaffen. Und sie ermöglichen der KEP-Branche die Entwicklung ganz neuer Geschäftsmodelle, die bis vor einem Jahrzehnt faktisch undenkbar waren. So bringen mittlerweile Postler die Einkäufe frischer Lebensmittel vom virtuellen Supermarkt direkt ins Haus – oder sie legen sie in den Kofferraum. Digital KEP heißt das Zauberwort der Branche(Ein Bericht von CR Hans-Joachim Schlobach)

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Smartphones & Co machen die Kunden digital und öffnen der KEP-Branchen neue Geschäftsfelder. (Foto: Nmedia / Fotolia.de)

Als Apple am 27. Juni 2007 in den USA den Verkauf seines ersten iPhones startete, war schon damals abzusehen, dass sich damit die Kommunikation komplett verändern würde. Das Ding war sexy, denn es war mit einem Mediaplayer ausgestattet und ließ sich weitgehend über den Bildschirm steuern. Das Gerät verfügt nämlich über eine Multi- Touch-Funktionalität und ermöglicht so die Bedienung mit mehreren Fingern gleichzeitig.  Wie viel Sexappeal es von Anfang an hatte, zeigte auch dessen Verkaufsstart. Laut dem Apple-Bericht für das dritte Quartal des Wirtschaftsjahres 2007 wurden innerhalb der ersten zwei Verkaufstage rund 270.000 iPhones inklusive Zubehör abgesetzt. Und bis zum Ende des dritten Quartals 2011 verkaufte Apple rund 129 Millionen Exemplare weltweit. Smartphones und IT als Treiber Mittlerweile hat jeder in der Welt kapiert: Smartphones können wirklich etwas und sind in seinen sämtlichen Ausführungen (also auch Tablets) heute aus der Wirtschaft nicht mehr wegzudenken. Bahnbrechend sind dabei vor allem die unzähligen Apps, welche seither für den Gebrauch der Geräte entwickelt wurden: von der Krankenhaus-App über „Post App“ zur Logistik-App für Track & Trace  werden die Smartphones mittlerweile eingesetzt. Und gerade „Einkaufs- Apps“ haben den E-Commerce Hype erst wirklich eingeläutet. Gleichzeitig sind Smartphones und ihre Apps die Basis für sämtliche Omnichannel-Strategien weltweit.

Und tatsächlich: Der hybride Kunde ist heute Wirklichkeit. Der sucht das freie Einkaufsvergnügen auf allen Kanälen, will in der Stadt shoppen und morgen online bestellen, was gestern vergessen wurde. Dabei geht es jedoch nicht mehr alleine um Textilien, Elektronikartikel und Bücher. Mittlerweile steigt auch der Möbelhandel ins breite E-Business ein. Und selbst die notwendigen Dinge des täglichen Lebens, wie etwa frische Lebensmittel, werden mittlerweile online bestellt und sollen dorthin geliefert werden, wohin der Kunde das will – bis in den letzten Winkel.

Stationärer Handel im Out?

Kritiker des E-Commerce befürchten daher, dass mit Smartphone & Co das Aussterben des stationären Handels eingeläutet wurde. Doch zeigt die von Oracle in Auftrag gegebene, international angelegte Studie „Retail without Limits – A Modern Commercial Society“ aus dem Jahr 2015, ein differenzierteres Bild. Daraus geht hervor, dass die Kunden das Beste aus der Online-Welt und dem traditionellen Handel wollen. Und sie fordern schon jetzt vor allem ein besser funktionierendes Zusammenspiel von stationärem Handel und Online-Shops. Das gilt etwa für Deutschland (für Österreich liegen keine Daten vor). In Deutschland sagen 70 Prozent, dass die Abstimmung  Web-Shop und Filiale besser werden muss. Sie wollen ein nahtloses Einkaufserlebnis, egal über welchen Kanal. Im internationalen Durchschnitt sind es 57 Prozent, die sich echten Multichannel-Handel wünschen.

Der hybride Kunde ist heute Wirklichkeit. Der sucht das freie Einkaufsvergnügen auf allen Kanälen, will in der Stadt shoppen und morgen online bestellen, was gestern vergessen wurde.

Anfassen gefragt. Für die Einzelhändler eine gute Nachricht ist, dass immerhin noch 57 Prozent der deutschen Kunden nach wie vor die Produkte anschauen und anfassen wollen, bevor sie sie kaufen. Aber sie erwarten sich am realen POS sämtliche Services, die sie vom E-Commerce kennen, wie etwa umfangreiche Produktinformationen und Beratung. Denn kaum jemand toleriert Mitarbeiter im Verkauf, die nicht genau wissen, was sie da eigentlich verkaufen. Dabei haben lt. Studie die meisten Kunden übrigens gar kein Problem damit, wenn der Verkäufer im Beratungsgespräch ein Tablet oder Smartphone nutzt, um etwas nachzuschlagen, was er nicht weiß. Im Gegenteil: 44 Prozent begrüßen es sogar ausdrücklich, wenn digitale Hilfsmittel zum Einsatz kommen.

100 Prozent gefragt. Was sie jedoch nirgendwo verzeihen, ist ein Mangel der Verfügbarkeit von Waren. 48 Prozent der Befragten sagen, dass fehlende Verfügbarkeit für sie die größte Shopping-Enttäuschung ist. Und diese liegt im Online-Handel bei faktisch 100 Prozent – im stationären Handel nicht.

Der schnellen KEP-Branche eröffnen Smartphones neue Geschäftsfelder wie die Frische-Loguistik. (Foto: Österr. Post)

Digitalisierung schafft Business

Was für den klassischen Handel ein Problemfall ist, ist hingegen beispielsweise für die KEP-Branche die große Chance auf  Business. Sie kann nämlich die 100-prozentige Verfügbarkeit der Ware über Distanzen hinweg operativ sicherstellen und schafft dadurch Convenience für den Online-Kunden. Zumindest wenn die Erstzustellung zum richtigen Zeitpunkt gelingt. Und die gelingt immer besser – mit Hilfe von Smartphones & Co. Damit kann der Anwender  seine Lieferung mittlerweile punktgenau zum Zielort dirigieren.

Neues Business. Mit den Möglichkeiten, die sich mit Smartphones und einer immer leistungsfähigeren IT bieten, entsteht so die Basis völlig neuer Geschäftsmodelle, die weit über die klassische Zustellung von Briefen und Paketen hinaus gehe. So bieten KEP- Dienstleister wie die Österreichische Post zwar schon seit etlichen Jahren Crossdocking- und Sortierkonzepte für den Handel und die Industrie an.

Volle Integration. Neu ist jedoch der Grad der Integration in die Supply Chains, die faktisch ohne Systembrüche von der Bestellung des Kunden, über die Produktion, den Versand zum Adressaten und zurück erfolgt. Selbiges gilt für die Organisation des flächendeckenden Bestell- und  Retourenmanagements. Die Digitalisierung ermöglicht den Transportdienstleistern zudem völlig neue Services wie Same Day-/ Next Day Delivery zur Wunschadresse zum exakten Zeitpunkt, die der Adressat sich wünscht. Anbieter wie die Österreichische Post bieten Unternehmen zudem ganze Webshop-Konzepte an. Sie beinhalten vom Web-Portal, über die Bestellabwicklung bis zum Pick & Pack und Belieferung, sämtliche Arbeitsschritte, die für den Betrieb  eines Online-Shops notwendig sind. „Gerade kleinere und mittlere Unternehmen können so Onlineshops, samt der dahinter liegenden Logistik nutzen, ohne diese komplett selbst aufbauen zu müssen“, so Dipl.- Ing. Peter Umundum, Vorstandsdirektor Division Paket und Logistik bei der Österreichischen Post im Gespräch mit blogistic.net.

Food per Post. P. Umundum gilt übrigens als einer der treibenden Kräfte bei den „Gelben Füchsen“, welche die Transformation der Post zum digitalisierten KEP- Dienstleister vorantreiben und dabei laufend neue Konzepte entwickeln. Als eines seiner erfolgreichsten Projekte, die er im Vorstand zu verantworten hat, gilt dabei die Online-Frischelogistik, welche die Österreichische Post flächendeckend dem Lebensmitteleinzelhandel in Österreich anbietet. Sie kann durchaus auch als ein Paradebeispiel für den Paradigmenwechsel in der KEP- Branche gelten. Dieses Konzept wurde gemeinsam mit dem oberösterreichischen Lebensmittelhändler Uni  markt prototypisch auf die Beine gestellt. Dabei können Online-Kunden ihre Lebensmittel aus einem großen Warenkorb bestellen, der von Frischware bis Haltbarware reicht und spätestens am nächsten Tag von der Post liefern lassen. Mittlerweile bietet die Österreichische Post den Service sämtlichen  Lebensmittelhändlern aber auch Direktvermarktern in ganz Österreich an. „Etliche Direktvermarkter landwirtschaftlicher Produkte nutzen diese Zustellmöglichkeiten bereits, um ihre Kunden mit frischer Ware zu beliefern“, bestätigt P. Umundum im Interview. Zudem hätten andere Lebensmittel-Ketten großes Interesse daran gezeigt.

P. Umundum (Foto: Roland Ferrigato / RS Media World Archiv)
P. Umundum: Wir alle bei der Post wissen aber natürlich, wie wichtig gerade jetzt der Brief an die Oma oder das Paket vom regionalen Händler sind. Solche Sendungen gewinnen nochmal an Bedeutung. (Foto: Roland Ferrigato / RS Media World Archiv)

Direkt bis zur Tür. In der Praxis bringt der Postbote die gekühlten Waren in speziell entwickelten und zertifizierten Kühlboxen. Mit Kühlakkus, die je nach Inhalt, Größe und Bedarf individuell einlegbar sind, halten die Boxen die Waren bis zu 48 Stunden einwandfrei gekühlt. Die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Kühlketten wird so von der Post problemlos bewerkstelligt, auch im Sommer. Wie bereits erwähnt, können Online-Kunden, die in den Landeshauptstädten leben, ihre Lebensmittel noch am gleichen Tag zustellen lassen (Same Day Delivery). Dabei kommen die Bestellungen zwischen 17:00 und 21:00 Uhr an. Und falls bei der Zustellung nicht geöffnet wird, ruft der Zusteller den Empfänger  an, um die Ware zu übergeben, sofern der Adressat seine Telefonnummer bei der Bestellung hinterlegt hat. Ist der Kunde auch nicht telefonisch erreichbar, wird die Kühlbox dann direkt vor der Wohnungstür abgestellt. So erhält dieser in jedem Fall seine Lebensmittel wunschgemäß noch am gleichen Tag.

Direkt in den Kofferraum. Doch P. Umundum arbeitet mit seinem Team bereits an einer Erweiterung dieser und anderer Lieferservices. So testete die Post in Wien bestellte Waren auch direkt in den Kofferraum des eigenen Wagens liefern zu lassen. Unterschiedliche Standards der Automobilindustrie und Telekomanbieter, scheinen jedoch noch ein Hindernis für die Umsetzung der Kofferraumzustellung bei Privatkunden zu sein. Für Firmenkunden testet die Post bereits adäquate Lösungen, um in der Zukunft in den Kofferraum von Firmenkunden zuzustellen. So könnten etwa über die Nacht benötigte Ersatzteile oder Werkzeuge in Firmenfahrzeuge auf Baustellen geliefert werden.

post.at

Das Interview mit Peter Umundum zum Artikel finden Sie hier auf blogistic.net .