Das Ausland ist nicht böse

Entgegen dem politischen Mainstream, der Kabotage in den Vorhof der Illegalität verortet, kann ein geregelter Kabotage-Verkehr die Wirtschaft beleben, Leerfahrten reduzieren und sogar die Wettbewerbsfähigkeit der Transportunternehmen verbessern – auch in Österreich. Ein Fachbeitrag von Olga Polasik* und CR Hans-Joachim Schlobach

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Kabotage kann auch die Wettbe­werbs­fähigkeit der Unternehmen erhöhen und Arbeitsplätze sichern helfen – wenn man es richtig macht. | Foto: Fotolia.com

Mit nur 2,5 Prozent Anteil machen Kabotage-Fahrten lediglich einen geringen Anteil des gesamten EU-Verkehrsaufkommens aus. Dennoch erhalten sie eine hohe Aufmerksamkeit in kontroversen Diskussionen in Politik und Massenmedien. Denn für viele ist „Kabotage“ ein negativ besetztes Reizwort, das unmittelbar mit den Thema „Illegalität“, „Lohndumping“, „Arbeitsplatzvernichtung“, etc. verbunden ist. Dabei ist das Erbringen von Transportdienstleistungen innerhalb eines Landes durch ein ausländisches Unternehmen eine völlig gängige Pra­xis und weitab von Illegalität.

Zu viel Politik im Spiel

Kontrovers diskutiert wird das Thema daher je nach Interessenlage. So unternahm zuletzt die österreichische Bundesregierung im Februar 2016 einen Vorstoß zur Verschärfung der Entsenderichtlinie, die auch die Kabotage betrifft. Um nämlich die Zahl der von ausländischen Firmen nach Österreich entsendeten Arbeitnehmer zu reduzieren, soll eine Maximaldauer für deren Tätigkeit festgesetzt werden. Gleichzeitig solle auch die Möglichkeit, beispielsweise ungarische Arbeiter zu günstigeren Konditionen zu beschäftigen als Österreicher, gestrichen werden. Hardliner fordern überhaupt eine sektorale Beschränkung des Arbeitsmarktes für EU-Bürger in Österreich, unter anderem auch im Bereich der Kabotage. Dabei soll der uneingeschränkte Zugang aufgehoben werden. Damit kommt die Regierung der Forderung der österreichischen Transporteure entgegen, Wettbewerbsverzerrungen, die auch durch gesetzliche Grauzonen entstehen und mit denen Fahrer aus europäischen „Billiglohnländern“ angeheuert werden können, ein Stück weit auszugleichen.

Wichtig ist, dass der Fahrer stets ein Dokument bei sich führt, welches belegt, dass er vor der Kabotage-Fahrt an einem grenzüberschreitenden Transport teilgenommen hat.

Wettbewerbsblocker „Preisdumping“. Dass diese „Grauzonen“ von der Politik bislang unbeachtet blieben, kommt Österreichs Transportwirtschaft teuer zu stehen, warnt etwa Alexander Klacska, Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr in der WKÖ sowie der Arbeitsgemeinschaft Internationaler Transportunternehmer Österreichs (AISÖ): „Im Wettbewerb gegen Preisdumping-Konkurrenz aus Billiglohnländern bleiben österreichische Frächter immer öfter auf der Strecke. In einem Geschäft, das ohnehin von hohem Kostendruck und Wettbewerb gekennzeichnet ist, kann das existenzgefährdend sein! Die derzeitige Gesetzgebung muss dringend reformiert werden, um den Behörden effektive und gezielte Kabotage-Kontrollen zu ermöglichen.“

Auch österreichische Gewinner

Doch sollte dabei nicht außer Acht bleiben, dass insbesondere österreichische Speditionsunternehmen ihre Flotten ausflaggen und unter dem eigenen Label und ganz legal auch auf Billiglöhne setzen. Das steigert deren Wettbewerbsfähigkeit und sichert daher wiederum Arbeitsplätze im Inland. Gleichzeitig versetzt die Kabotage die Unternehmen auch in die Lage, ihre Flotten besser auszulasten und Leerfahrten zu vermeiden.

Alexander Klacska | Foto: WKÖ


Im Wettbewerb gegen Preisdumping-Konkurrenz aus Billiglohnländern bleiben österreichische Frächter immer öfter auf der Strecke. (…) Die derzeitige Gesetzgebung muss dringend reformiert werden (…) .
Alexander Klacska, Obmann Bundessparte Transport und Verkehr, WKÖ

Leerfahrten verhindern. Dass die Kabotage im Straßengüterverkehr auch sinnvoll und empfehlenswert sein kann, sollte daher spätestens seit Veröffentlichung der letzten EU-Kommission-Studie von 2014 klar sein. Laut dieser sind immer noch 25 Prozent aller Lkw in Europa leer unterwegs – und könnten beispielweise durch Kabotage-Fahrten besser ausgelastet werden. Hierbei erweisen sich die Unkenntnis der genauen Vorschriften und mangelnde Kontakte in den verschiedenen Ländern für viele Transportunternehmen jedoch als mögliche Hürden. Denn an genügend passenden Aufträgen dürfte es, dank großer und internationaler Transportplattformen wie TimoCom, auf der täglich bis zu einer halben Million Fracht– und Laderaumangebote eingestellt werden, nicht fehlen.

Kabotage: In Grenzen förderlich

Auch in Deutschland kritisiert die Branche oft ungenügende Kontrollen von illegalen Kabotage-Fahrten. Diese Behauptung wird jedoch in einem aktuellen Interview der Deutschen Verkehrs-Zeitung (DVZ, Nr. 26 von April 2016) durch den Präsidenten des Bundesamts für Güterverkehr (BAG) Andreas Marquardt widerlegt. Hier ist die Rede von Bußgeldern in Höhe von rund 650.000,– Euro, die allein bei Kontrollen in 2015 in Deutschland verhängt wurden. Laut Marquardt sind die Auftraggeber der Kabotage-Fahrten zudem größtenteils westeuropäische Produktions- und Handelsunternehmen sowie Speditionen, die auf die Lkw ihrer Auslandstöchter zurückgreifen. So wurden beispielsweise im Jahre 2013 in Großbritannien die Kabotage-Vorschriften im Rahmen von Fahrzeugtransporten weiter gelockert, um Kapazitätsengpässen vorzubeugen.

Trauen sich nicht. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass sich viele Transportdienstleister erst gar nicht an Kabotage-Aufträge herantrauen, da sie mögliche Verstöße sowie damit verbundene Strafen oder Komplikationen vermei­den möchten. Hier genügt es nämlich nicht, lediglich die EU-Verordnung 1072 aus dem Jahr 2009 zu Kabotage-Fahrten zu kennen. Ferner müssen auch die Vorschriften des jeweiligen Landes zur Durchführung solcher Aufträge beachtet werden.

Geltende Vorschriften, mögliche Beispiele

Allgemein gilt für den gesamten europäischen Wirtschaftsraum gemäß EU-Verordnung Nr. 1072/2009 Artikel 8, Absatz 2, dass es dem Frachtführer nach dem Entladen der Fracht im Zuge eines grenzüberschreitenden Güterverkehrs erlaubt ist, in dem gegebenen EU-Mitgliedsstaat noch drei Kabo­tage-Fahrten innerhalb von sieben Tagen durchzuführen.
Ein Beispiel für EU-weiten Kabotage-Verkehr: Ein italienisches Unternehmen erhält den Auftrag, eine Ladung von Verona nach Innsbruck in Österreich zu transportieren. Während es nach einer passenden Rückladung sucht, findet das Transportunternehmen dank der Umkreissuche in der Transportplattform von TimoCom attraktive Folgeaufträge wie z.B. eine Fahrt von Innsbruck nach Rosenheim, von Rosenheim dann nach Salzburg, von Salzburg nach Linz.

Aus 3 mach 1. Eine weitere Möglichkeit ist es, statt drei Kabotage-Fahrten in dem Land, in welchem entladen wurde, eine Kabotage-Fahrt in einem Transitland durchzuführen. Ein Beispiel: Der aus Italien kom­mende Fahrer führt einen grenzüberschreitenden Transport von Italien nach Ungarn durch. Hiernach nimmt er einen Kabotage-Auftrag innerhalb Österreichs von Graz nach Wien an. Die Rückfracht von Wien zurück nach Venedig würde dann wieder als grenzüberschreitender Straßengüterverkehr gelten.

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Zu komplexe Vorschriften und hohe Strafen erschweren jedoch oft den sinnvollen Einsatz von Transportfahrzeugen. | Foto: I-Vista/pixelio.com

Dokumente sind wichtig

Wichtig ist, dass der Fahrer stets ein Dokument bei sich führt, welches belegt, dass er vor der Kabotage-Fahrt an einem grenzüberschreitenden Transport teilgenommen hat. Darüber hinaus sollte beachtet werden, dass ein Frachtbrief als Beweis dafür gilt, dass genau eine Kabotage-Fahrt vorgenommen wurde. Das ist insofern ausschlaggebend, als es durchaus vorkommen kann, dass ein Fahrzeug drei verschiedene Frachten zur gleichen Entladestelle liefert, welcher je ein separater Frachtbrief zugeteilt ist. In so einem Fall wäre das Limit der erlaubten Transportdienstleistungen erschöpft und es dürfte keine weitere Kabotage-Fahrt mehr vorgenommen werden. Soweit eigentlich einfach zu merken.

Die Auftraggeber der Kabotage-Fahrten sind größtenteils westeuropäische Produktions- und Handelsunternehmen sowie Speditionen, die auf die Lkw ihrer Auslandstöchter zurückgreifen.

Spezifikationen herausfordernd. Die Schwierigkeiten beginnen oft erst rund um die Kabotage herum – aufgrund der Spezifikationen der einzelnen Länder. Gemeint sind damit vor allem Vorschriften, die den Beförderungsvertrag an sich oder jeweilige Ruhe– und Lenkzeiten betreffen. Unzureichend informierte. Transportteilnehmern können sie viel Zeit und Nerven kosten. In Frankreich oder Belgien dürfen die Wochenruhezeiten beispielsweise nicht in der Kabine verbracht werden, denn der Staat droht hier mit hohen Geldstrafen bis hin zu Freiheitsentzug. Das hat wiederum zur Folge, dass auf deutscher Seite im Grenzgebiet zu Belgien und Frankreich an den Wochenenden eine besonders hohe Parkplatznot herrscht. Des Weiteren muss in Deutschland, Österreich, Norwegen oder (ab 01.07.) Frankreich der für das jeweilige Land vorgeschriebene Mindestlohn auch für Kabotage-Fahrten eingehalten werden.

Chancen trotz Risiken

Komplexe Vorschriften und hohe Strafen erschweren also oft den sinnvollen Einsatz von Transportfahrzeugen. Dabei sollte sowohl der EU als auch den einzelnen Ländern viel daran gelegen sein, dass Leerfahrten und damit unnötiger Verkehr und Treibstoffverbrauch vermieden werden. Um bessere Rahmenbedingungen für Kabotage zu schaffen, wäre die Harmonisierung anderer Richtlinien von Vorteil, wie etwa von Sozialvorschriften für das eingesetzte Personal, der Kfz-Steuer etc. Trotz vieler Vorschriften die zu beachten sind, wäre das Transportgewerbe – eine der internationalsten Branchen überhaupt – ohne Kabotage-Fahrten nicht denkbar. Grundsätzlich sollten Transportunternehmen nicht vor Kabotage-Aufträgen zurückschrecken, sondern sich entsprechend informieren und die vielen Geschäftschancen nutzen.


*Zur Autorin
Olga Polasik ist Referentin für Unternehmenskommunikation bei der Transportplattform TimoCom. (opolasik@timocom.com)


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