
Crowdsourcing Delivery – Die Stadt Wien will bis 2040 CO2-Neutral sein. Ein Last-Mile-Projekt für Pakete könnte hier eine Lösung dazu sein. Denn geht es nach den Überlegungen von Fraunhofer Austria und den Wiener Linien, könnte jeder Öffi-Nutzer eine Art nachbarschaftlicher KEP-Dienstleister werden. Eine in 2021 von Fraunhofer Austria und den Wiener Linien durchgeführte Machbarkeitsstudie zeigte nämlich eine große Bereitschaft der Fahrgäste zur Nachbarschaftshilfe beim Transport von Paketen etwa in der Straßenbahn. Nun startet im Rahmen des Projekts „Öffi-Packerl“ unter der Leitung von Fraunhofer Austria die Ausarbeitung eines konkreten Crowdsourcing Delivery – Konzepts samt der dazugehörigen Hard- und Softwarelösungen. Der Teststart dafür soll 2024 sein.
Der nicht enden wollende E-Commerce Boom führt zu immer mehr Paketlieferungen insbesondere in urbanen Gebieten. Diese werden auf der Last Mile vielfach noch mit verbrennungsmotorisch angetriebenen Lieferwagen abgewickelt. Aber selbst wenn die Last Mile mit Zero-Emission-Lösungen abgewickelt würde, nähme der Lieferverkehr dramatisch zu. Zwar gibt es bereits Bündelungskonzepte, welche hier Abhilfe schaffen können, doch reichen diese bei weitem nicht aus. Gleichzeitig kommen die KEP-Dienstleister wegen des Fachkräftemarktes und wegen schwindender Möglichkeiten des Infrastrukturausbaus immer mehr an ihre Kapazitätsgrenzen (siehe auch Artikel „Paketlawine – Österreichs KEP-Dienstleister und die Last mit der Last Mile“) immer mehr an ihre Kapazitätsgrenzen. Im Sinne des Klimaschutzes und um die Lebensqualität in der Stadt zu erhöhen, ist es daher aus Sicht der Wiener Verkehrsplanung dringend nötig, an weiteren Konzepten zu arbeiten, will man bis 2040 mindestens CO2-Neutral sein.
Crowdsourcing Delivery – Nachbarschaftshilfe im öffentlichen Raum
Ein Ansatz für die Abdeckung des Kleinpaketbereichs, bei dem sich Bewohner Wiens sogar selbst aktiv am Energie- und CO2-sparen beteiligen können, bietet das sogenannte Crowdsourcing Delivery. Dabei nehmen Öffi-Nutzer freiwillig Sendungen von einer Paketstation zu einer anderen mit. Passende Sendungen werden hierbei bei mithilfe einer App gefunden, in der die User ihre geplante Pendelstrecke angeben. Auch die Paketstation soll sich mithilfe der App öffnen lassen.
„Öffi Packerl“ – Testphase ab 2024
Crowdsourcing Delivery steckt in Österreich noch in den Kinderschuhen. Damit also der Pakettransport in der Straßenbahn ab 2024 in die Testphase gehen kann, muss noch viel an Entwicklungsarbeit geleistet werden. Als erstes werden die Expert:innen von Fraunhofer Austria in Zusammenarbeit mit den Wiener Linien und der Wiener Firma netwiss OG die Fahrgastströme analysieren. Sie müssen nämlich die geeignete Straßenbahnlinien für den Test und die idealen Positionen der Paketstationen identifizieren. Die Wiener Spezialisten von Upstream – next level mobility entwickeln gleichzeitig die App dafür. Sie haben darin Erfahrung, denn sie sind die Programmierer beispielsweise der Wien Mobil-App für die Wiener Linien. Die neue App muss dabei in der Lage sein, die eingegebenen Fahrstrecken mit den passenden Paketen und Paketstationen in Verbindung zu bringen. Den dazu notwendigen Algorithmus liefert hingegen das Institut für Computertechnik der TU Wien. Für die Entwicklung des Systems steuert die Österreichische Post essenzielle Daten, die für die Identifikation der geeignetsten Strecken nötig sind. Und last but not least entwickelt die Linzer Variocube die energieautarken, modularen Paketboxen, die im Zuge der Testphase an bis zu acht Stellen aufgestellt werden.
Crowdsourcing Delivery nicht nur in Wien

Doch nicht nur in Wien soll das Crowdsourcing Delivery – Konzept im Rahmen des Projekts ausgearbeitet und getestet werden. Mit der Welser GRT Spedition und Logistik und der Malerei Großbötzl (Ried i. Innkreis) sind auch zwei oberösterreichische Unternehmen mit im Boot. „Wir wollen über Wien hinausdenken und herausfinden, ob das Konzept auch für den ländlichen Raum geeignet ist. Die Zusammenarbeit mit der Malerei Großbötzl gibt uns die Gelegenheit, unsere Tests des nachhaltigen Verkaufsprozesses auch für die Umgebung von Ried im Innkreis durchzuführen“, erklärt Projektleiter Matthias Hayek. Das vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) über die Österreichische Forschungsgesellschaft (FFG) geförderte Projekt mit dem sperrigen Namen „Öffi-Packerl: Entwicklung und Pilotierung eines Prototypen für die Abwicklung der letzten Meile im öffentlichen Verkehrssystem“ hat eine Laufzeit von knapp drei Jahren, im Jahr 2024 ist mit der Durchführung der ersten Testlieferungen zu rechnen.
Crowdsourcing Delivery – W. Sihn: „…ein vielversprechender Ansatz…“
Wilfried Sihn, Geschäftsführer von Fraunhofer Austria, sagt hierzu gegenüber den Medien: „Einer unserer wichtigsten Schwerpunkte bei Fraunhofer Austria ist die Entwicklung von Konzepten für ein nachhaltiges Wirtschaften. Unsere Forschungstätigkeit umfasst dabei Themen wie die Planung grüner Fabriken ebenso wie nachhaltige Arbeitsplatzgestaltung oder klimafreundliche Logistik, um nur einige Beispiele zu nennen. Es freut mich, dass wir im Projekt ‚Öffi-Packerl‘ gemeinsam mit einem starken Konsortium einen so vielversprechenden Ansatz der grünen Logistik weiterverfolgen werden.“
R. Cavala: „…erforschen, welche Potenziale der ÖPN bietet.“
Ruzica Cavala, Projektleiterin bei der Österreichische Post äußert sich so zum Projekt: „Bei professioneller Logistik handelt es sich um einen komplexen Prozess, der oftmals unbemerkt vor den Augen der Kund:innen stattfindet. Mit diesem Crowdsourcing Delivery – Forschungsprojekt wollen wir den Prozess erstmals öffnen und gemeinsam prüfen, welche Potenziale der öffentliche Nahverkehr bietet, wenn er an die leistungsfähige Infrastruktur der Post angebunden wird.“
A. Reinagel: „…großes Interesse an klimafreundlicher Paketzustellung“
„Innovation und Nachhaltigkeit gehen bei den Wiener Linien Hand in Hand. Genau hier setzt das neue Forschungsprojekt ‚Öffi-Packerl‘ an. Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie haben gezeigt, wie groß das Interesse an klimafreundlicher Paketzustellung bei unseren Fahrgästen ist. Jetzt gilt es die Rahmenbedingungen abzustecken und gemeinsam mit den Forschungspartnern auszuloten, was möglich ist. Als Wiener Linien blicken wir sehr gespannt auf die nächsten Schritte des Projekts“, freut sich Alexandra Reinagl, Geschäftsführerin der Wiener Linien.
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