CORONAVIRUS – Wie lange bleibt Xi Jinping noch Staatschef?

Coronavirus: Geht der chinesischen Staatsführung bald das chinesische Licht aus? ( Foto: Cornerstone / www.pixelio.de)
Coronavirus: Geht der chinesischen Staatsführung bald das chinesische Licht aus? ( Foto: Cornerstone / www.pixelio.de)

Die Hysterie um den Coronavirus steht nicht in Relation zu den erheblichen Krisen-Effekten, welche weltweit dadurch ausgelöst werden. Könnte daher hinter den offiziell erzeugten Krisen-Bildern der chinesischen Propaganda ein veritabler Kampf um die Macht in Peking stecken? Fakt ist jedenfalls: Xi Jinping steht nicht erst seit dem Auftreten des Coronavirus unter Druck. Der Grund könnte das System der Allmacht sein, das er um sich herum aufgebaut hat. (Eine Analyse von CR Hans-Joachim Schlobach)

Um es vorweg zu nehmen: Ob es eine Regierungskrise gibt in der VR China, ist bislang reine Spekulation. Ebenso ist es nur ein Gedankenspiel, dass es einen Zusammenhang zwischen der Coronavirus-Berichterstattung gibt und einer möglichen Krise der Regierung Xi Jinping. Dennoch sind kritische Fragen erlaubt, die sich im Zusammenhang mit dem Coronavirus und der Politik davor samt der Auswirkungen auf die ganze Welt stellen.

Coronavirus: Das sind die Fakten:

81.000 Fälle weltweit. Derzeit sind rund 81.000 Menschen weltweit mit dem Coronavirus infiziert; die meisten registrierten Fälle davon sind in der VR China. Und das Coronavirus führte in der VR China zu ein paar Tausend toten. In China leben rund 1,4 Milliarden Menschen, die Erdbevölkerung umfasst derzeit zwischen 7,4 und 7,8 Milliarden Menschen. Geht man nach dem statistischen Bundesamt, dann sterben alleine in Deutschland rund 20.000 Menschen pro Jahr an den Folgen der Influenza. Und in Deutschland leben rund 85 Millionen Menschen. Das sind also die Relationen, von denen wir sprechen. Für Europa dürfte also das Coronavirus bis jetzt nur deshalb von Bedeutung, weil es nun ein zweites Virus, neben dem Influenza-Virus, gibt. Würde allerdings so wenig über Corona berichtet wie über Influenza, gäbe es in Europa wahrscheinlich keine krisenartigen Szenarien, wie wir sie derzeit erleben. Oder doch?

Shanghai: Symbol des chinesischen Wirtschaftswunders. (Foto: Florentine / www.pixelio.de)
Shanghai: Symbol des chinesischen Wirtschaftswunders. (Foto: Florentine / www.pixelio.de)

Coronavirus -Zentrum in Hubei. Die meisten Corona-Fälle sind in der VR China registriert. Das Virus hat ihren Ausgang in der Stadt Wuhan in der chinesischen Provinz Hubei. Von dort kommen teilweise dramatische Bilder mit stark beeinträchtigten Menschen in Krankenhäusern, vom Patienten bis zum Arzt selber. Durch die Provinz im Zentrum Chinas mit rund 57 Millionen Einwohnern fließt der Jangtsekiang, dort steht auch der Drei-Schluchten-Staudamm. Neben vielen Bodenschätzen sind in Hubei wichtige Industriebranchen angesiedelt. Traditionell haben die Montan- und die Textilindustrie der Volksrepublik wichtige Zentren. In der Zukunft soll das Schwergewicht zusätzlich auf Maschinenbau, Elektronik- Automobil- und Chemischer Industrie gelegt werden. Schon heute gehört Hubei zu den drei wichtigsten Standorten der chinesischen Automobilindustrie.

Die meisten Corona-Fälle sind in der VR China registriert. Das Virus hat ihren Ausgang in der Stadt Wuhan in der chinesischen Provinz Hubei.

Chinas Wirtschaft im Abwärtsdruck. Im Jahr 2019 ist die Wirtschaft Chinas um 6,1 Prozent gewachsen. Worüber man sich in Europa oder den USA freuen würde, ist das für die Wirtschaft der Volksrepublik fast so, als würde sie schrumpfen. Tatsächlich liegt man mit diesem Wachstum gerade noch im für 2019 eingeplanten Soll zwischen 6,0 und 6,5 Prozent. Die kommunistische Führung selbst spricht jedoch von einem Abwärtsdruck, den die Wirtschaft derzeit erlebe. Zudem ist bekannt, dass Chinas Wirtschaft Chinas auf tönernen Füßen steht, weil das Wachstum Chinas nicht nachhaltig und nur auf Pump aufgebaut ist.

Xi Jinpings Gesichtsverlust. Eine wesentliche Ursache dafür ist der Handelskonflikt, der insbesondere zwischen den USA und der Volksrepublik ausgetragen wird. Zwar hat das Phase-I-Handelsabkommen, das Anfang dieses Jahres unterzeichnet wurde, zwischen den beiden Wirtschaftsgiganten etwas Druck heraus genommen. Das Abkommen legt jedoch China Fesseln an und zwingt es, Produkte aus den USA zu kaufen, anstatt beispielsweise europäische. Betroffen sind davon etwa die deutsche Automotive-Branche und der Maschinenbau. Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel rechnet daher vor, dass Deutschlands Schlüsselindustrien in den nächsten Jahren rund 4,5 Milliarden Euro weniger in Asiens größtem Markt umsetzen kann, als ohne dieses Abkommen. Umgekehrt erschwert das die internationale Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China, aber auch mit der EU in seiner Gesamtheit. Donald Trump hat Xi Jinping und seinen Bestrebungen etwa im Rahmen dessen OBOR-Initiative Ketten angelegt. Für den chinesischen Staatschef dürfte das ein innenpolitischer Gesichtsverlust sein, auch wenn D. Trump bei jeder Gelegenheit die guten Beziehungen der beiden Staatschef beteuert. Denn der amerikanische Präsident zeigt sich nicht gewillt, von seinem Weg nur einen Schritt abweichen zu wollen. Und der heißt „America first“. Präsident Trump setzt seine Außenpolitik  derzeit beim Erzrivalen der Chinesen, in Indien.

Das Phase-I-Handelsabkommen, das Anfang dieses Jahres (Anm.: zwischen USA und China) unterzeichnet wurde, zwingt China, Produkte aus den USA zu kaufen, anstatt beispielsweise europäische.

OBOR-Initiative gescheitert. Mit großen Finanziellen Risiken, initiiert der chinesische Staatspräsident seine OBOR-Initiative (OBOR = One Belt One Road). OBOR ist, kurz erklärt, eine persönliche Initiative Xi Jinpings für die Weiterentwicklung der Weltwirtschaft. Denn seit der Krise im Jahr 2008/2009 ist die Weltwirtschaft langsamer gewachsen als davor. Das ist nicht im Interesse Chinas. Und darum soll OBOR Impulse dafür geben, ein schnelleres und stabileres Wachstum der Weltwirtschaft zu erreichen. Dabei umfasst diese Strategie insgesamt 4,4 Milliarden Einwohner entlang der sogenannten Seidenstraße, aber auch entlang des Seewegs zwischen China und Europa. Hier sieht man aus der Sicht Pekings viel Potenzial, denn es handelt sich dabei hauptsächlich entweder um Entwicklungs- oder Schwellenländer. Was viele jedoch übersehen: OBOR ist aber auch ein geo-strategisches Projekt, das den Einfluss der Volksrepublik in diesen Regionen nicht nur stärken, sondern auch den Einfluss der USA zurück drängen möchte. Und letztendlich ist OBOR eine chinesische Adaption des bekannten, US-amerikanischen Dollar-Imperialismus. Die Initiative Xis dürfte jedoch, wenn nicht in Hinblick auf die wirtschaftlichen Ziele, so doch in geostrategischer Hinsicht gescheitert sein. Die USA sind und bleiben die unbestrittene und alleinige Weltmacht.      

Honkong gilt als unkontrollierbarer Unruheherd für Peking. (Foto: Florentine / www.pixelio.de)
Honkong gilt als unkontrollierbarer Unruheherd für Peking. (Foto: Florentine / www.pixelio.de)

Unruhen in den Provinzen. Und last but not least bekommt Xi Jinping die schwelenden ethnischen Konflikte in der VR China nur mit sehr hohem Energieeinsatz in den Griff. So unterdrückt Peking, nach Angaben einiger westlicher Beobachter wie etwa der AFP und ZEIT, die mehrheitlich muslimischen Uiguren in der Provinz Xijang, die nach mehr Autonomie streben. Am heftigsten schwelt der Konflikt um Demokratisierung in Hong Kong. Die chinesischen Bewohner der ehemaligen Kolonie Groß Britannien widersetzen sich der dortigen Provinzregierung, mehr Durchgriffsrechte Pekings im Stadtstaat durchzusetzen. Xi Jinping sind auch hier die Hände gebunden, seine Macht durchzusetzen. Zu kompliziert würden die Verhältnisse zu den Partnern in der EU oder auch den USA, wenn Peking in Honkong beispielsweise militärisch eingreift.

Coronavirus: Ein weiteres Dominosteinchen             

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, das Xi Jinping derzeit unter großem innenpolitischem Druck steht. Der wegen seiner enormen autokratischen Machtfülle als „Überragender Führer“ bezeichnete Staatspräsident gerät zunehmend innenpolitisch in die Defensive. Und zwar nicht zuletzt auch wegen des Ausbruchs der Corona-Epidemie in Wuhan.  Wie der Fernsehsender n-tv am 20. Februar berichtete, haben chinesische Wissenschaftler schon vor einem Jahr eindringlich vor dem möglichen Auftauchen eines neuen Coronavirus gewarnt. Es sei „höchst wahrscheinlich“, dass der Erreger von Fledermäusen ausgehen werde. „Und es gibt eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass es in China passiert“, zitiert n-tv die Studie, die im März 2019 im Fachjournal „Viruses“ veröffentlicht wurde. Die Autoren sind vier Forscher des Instituts für Virologie der Metropole Wuhan und der Universität der chinesischen Akademie der Wissenschaften. Wuhan ist besonders stark von der Lungenkrankheit namens Covid-19 betroffen. „Das Forschungspapier liest sich wie das Skript für den Ausbruch des Coronavirus Sars-CoV-2, mit dem sich in China und in mehr als zwei Dutzend Ländern inzwischen Zehntausende Menschen angesteckt haben“, berichtet n-tv. weiter.

Behörden wollten nicht hören. Zudem informierte der später verstorbene chinesische Arzt Li Wenliang bereits im Dezember 2019 seine Kollegen über Patienten, die mit Verdacht auf das Coronavirus behandelt wurden. Nach Angaben von n-tv ließen ihn die Behörden daraufhin eine Unterlassungserklärung unterschreiben, in der er zum Schweigen aufgefordert wurde. Erst am 20. Januar räumte man schließlich von offizieller Seite ein, dass das Virus zwischen Menschen übertragen werden kann. In den Augen vieler Kritiker zu spät.

In Japan sieht man die Handlungsweise Pekings sehr ambivalent. (Foto: Heng)
Coronavirus: In Japan sieht man die Handlungsweise Pekings sehr ambivalent. (Foto: Heng)

Zu spät gehandelt. Vor diesem Hintergrund werden Vorwürfe laut, wonach Xi Jinping und die chinesischen Behörden viel zu zögerlich gehandelt hätten, ähnlich wie bei der SARS-Pandemie im Jahr 2002. Dem begegnete Xi Jinping mit einer Kommunikationsoffensive. So wurde eine Rede veröffentlicht, die demonstrieren soll, dass er sich schon Wochen früher als bekannt in den Kampf gegen den Coronavirus eingeschaltet habe. Schon auf einer Sitzung des Politbüros am 7. Januar habe er „Forderungen zu den Bemühungen zur Vorbeugung und Kontrolle gestellt“, so Xi darin. Er erklärte: „Ich habe jederzeit die Ausbreitung der Epidemie und die Bemühungen zur Eindämmung verfolgt, ständig mündliche Aufträge und auch Anweisungen erteilt.“ Am 22. Januar habe er dann die Abschottung der Krisenregion in der Provinz Hubei verfügt.     

Seltsame Offensive Pekings

Seither demonstriert die Regierung XI Jinping unter dem Vorwand, das Coronavirus zu bekämpfen, Stärke, Entschlossenheit und ungewöhnliche Offenheit. So werden Bilder gezeigt von vermummten Soldaten, welche in U-Bahn Eingängen Infrarotmessungen vornehmen, um ungewöhnliche Körpertemperaturen von Passanten festzustellen. Auch wurde medienwirksam der Bau eines Krankenhauses in Wuhan innerhalb von 14 Tagen vorgeführt. Gleichzeitig werden Provinzen abgeriegelt und Unternehmen in Hubei und anderswo, dürfen nicht weiter produzieren.

Die Häfen sind dicht. Gleichzeitig können Millionen mit Waren gefüllter Container nicht die Häfen verlassen. Ebenso wenig dürfen gefüllte Schiffe die überfüllten Häfen Chinas nicht anlaufen. Ein Effekt: Nach und nach werden durch diese Maßnahmen die weltweiten Wertschöpfungsketten unterbrochen. Der Effekt: Es fehlen immer mehr Container im weltweiten Container-Kreislauf. Experten glauben daher, dass China und der Weltwirtschaft nur noch drei Wochen Zeit bleibt, um ohne gröbere Blessuren diese von Peking initiierte Krise zu bewältigen. Dann sind gewissermaßen die Container-Reserven aufgebraucht. Dabei ist derzeit jedoch nicht absehbar, ob  es gelingt, die Krise in den nächsten Wochen zu bewältigen. Außerdem ist diese zunächst innere Krise Chinas mittlerweile zu einem weltweiten Selbstläufer geworden, immer mehr zu kontrollieren ist, je länger sie dauert.

Coronavirus: Wie lange hält sich Xi Jinping?

Xi Jinping visits Beijing neighbourhood as coronavirus death toll reached 910

Es stellt sich daher die Frage, warum der allmächtige Mann Chinas, Xi Jinping, und die chinesischen Behörden die Krise so bewältigen will? Oder steckt mehr dahinter? – Die Beantwortung dieser Fragen ist zum heutigen Zeitpunkt reine Spekulation. Fakt ist lediglich, dass Xi Jinping innenpolitisch immer stärker unter Druck gerät. Dieser Ansicht ist auch Politologe Wu Qiang in Peking gegenüber dem Schweizer Fernsehen. Wu gehört zu den kritischen Stimmen in China. Er sagt, dass Xi als Staatschef die Verantwortung nicht mehr auf andere abschieben könne, denn der ständige Ausschuss des Politbüros ist faktisch inexistent. Xi Jinping hat nämlich alles entmachtet, was ihn in irgendeiner Form in seiner Position gefährden könnte. Er ist de facto der Alleinherrscher in China. „Das System der kollektiven Führung gibt es nicht mehr“, sagt Wu. Doch Xis totale Kontrolle bringt nicht nur Vorteile. Wenn etwas schiefläuft, erhöht sich auch das Risiko, dass Fehler auf ihn zurückgeführt werden. Und das passiert in China zunehmend – und nicht nur für das Verhalten der Behörden bei der Bekämpfung des Coronavirus.

Verlagerung nach Draußen. Der Schluss liegt daher nahe, dass der chinesische Staatschef seine innerpolitischen Probleme nun nach Außen verlagert, um einerseits den Druck aus dem von ihm geschaffenen System der allmächtigen Kontrolle zu nehmen. Andererseits könnte es ihm auch so gelingen, verlorenes außenpolitisches Terrain, beispielsweise gegenüber den USA, wieder zurück zu gewinnen, indem China die anderen wirtschaftlich schwächt und deren Abhängigkeit mit der VR China verstärkt. Ob so oder so: Es wird entscheidend darauf ankommen, wie Xi die Corana-Krise bewältigt. Ein weiterer Fehler könnte ihm die Macht kosten und die Weltwirtschaft in eine echte Krise stürzen..

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