Containermarkt – Genauso, wie die Containerpreise nach oben schnellten, befinden sie sich derzeit wieder auf dem Weg nach unten. Denn die Reedereien sind massiv mit sogenannten Blank Links konfrontiert. Sie reduzieren daher ihr Dienstleistungsangebot, um den Preisverfall zu stoppen. Gleichzeitig nimmt die Überlastung der Häfen an den US-Küsten und Europa ab, ist aber dennoch noch nicht abgebaut. Vor allem kanadische Häfen sind davon noch immer betroffen. Im Südost-asiatischen Pazifikraum verschieben sich zudem Kapazitäten weg von China auf andere Länder der Region. Das sind die Ergebnisse der monatlichen Marktuntersuchung des US-amerikanischen Supply Chain Visibility-Spezialisten projekt44.

Die Kauflaune in den Industrienationen dürfte sich aufgrund der aktuellen Krisen und der damit verbundenen Verteuerungen im Energie- und Rohstoffsektor und vergangener Lieferkettenproblematik erheblich reduziert haben. Der Effekt: Die globalen Warenströme reduzieren sich derzeit erheblich. Und das trotz der traditionell starken Vorweihnachtszeit.
Schrumpfender Containermarkt führt zu Blank Links
Was etwa für die Industrie durchaus positiv daher kommt, weil sie beispielsweise Auftragsbearbeitungsrückstände abfertigen können, ist für Reedereien der Containerschifffahrt ein wachsendes Problem. Sie sehen sich nämlich massiv mit Leerfahrten konfrontiert. Diese Blank Links beenden somit die Preis-Rallye der Frachtraten im Container-Business und schicken diese auf Talfahrt.
Reeder halten mit Reduktion von Leistungen dagegen
Diesem Trend versuchen die Reedereien zwar mit dem Streichen von Lieferdiensten entgegen zu wirken, sie dürften jedoch wenig erfolgreich damit sein. Das geht aus der monatlich erhobenen Marktuntersuchungen des US-amerikanischen Supply Chain Visibility-Spezialisten projekt44 hervor. Wie aus den Zahlen des Anbieters von Advanced Visibility für Verlader und Logistikdienstleister hervorgeht, streichen die Reedereien in der Vorweihnachtszeit bis zu 64 Prozent ihrer Fahrten im Transatlantikverkehr. Im transpazifischen Fahrtgebiet werden voraussichtlich fast die Hälfte aller Fahrten gestrichen und im Fahrtgebiet Europa-Asien sind es 38 Prozent.
J. Brazil – „Die Karten werden im Containermarkt neu gemischt.“
“Wir beobachten eine langsame Normalisierung der globalen Lieferketten. Es gab einige offensichtliche Gewinner und Verlierer infolge des krisenbedingten logistischen Stillstands, den wir letztes Jahr um diese Zeit erlebt haben. Trotz einiger verbleibender Engpässe, längerer Verweilzeiten und Verspätungen ist es jetzt offensichtlich, dass bei den Reedern und Frachtführern jetzt die Karten im Containermarkt neu gemischt werden. Der Markt verschiebt sich wieder zum Vorteil der Verlader”, kommentiert Josh Brazil, Vice President Supply Chain Insights bei project44. Und in der Tat: Noch im vergangenen Sommer fühlten sich die Verlader von den Reedereien regelrecht abgezockt (wir berichteten auf blogistic.net).
Containermarkt – Kapazitätsverschiebungen von China nach Südostasien
Viele Verlader dürften nun auch in Asien ihre Karten neu mischen. Sie haben begonnen, ihre Lieferketten zu diversifizieren und kaufen weniger in China ein. Dafür mehr in Ländern wie Südkorea. Gleichzeitig verlagern sie ihre Produktionskapazitäten weg von China in andere Länder Südost-Asiens. Die Gründe dafür sind etwa die anhaltenden Spannungen zwischen den USA und China in Bezug auf Taiwan und die dort ansässige Chiptechnologie sowie die ständigen Störungen der Lieferketten infolge der chinesischen Null-COVID-Politik. Diese führt nach wie vor zu starken Volumenschwankungen in Chinas industriellem Kernland
Containermarkt – Südkorea ist einer der Gewinner
Wie aus den Daten von project44 hervorgeht, hat sich daher ein größerer Teil an Tonnage beispielsweise nach Busan in Südkorea, verlagert. So zeigen die Daten, dass dort die TEU-Kapazität im Oktober gegenüber dem Vorjahresmonat um 451.194 TEU ausgeweitet wurde, was einem Zuwachs von 14 Prozent darstellt. Dieser Anstieg der TEU-Kapazität machte rund acht Prozent des gesamten Kapazitätszuwachses von 5,8 Millionen TEU zwischen September und Oktober in dieser Region aus. Zwar verzeichneten die chinesischen Häfen Tianjin und Xiamen ebenfalls Zuwächse, sie fielen mit 416.105 TEU und 375.674 TEU jedoch weitaus geringer aus.
Rückgang im Containermarkt verkürzt Transit-Fehlzeiten drastisch

Insgesamt hat die drastische Verringerung der weltweiten Nachfrage zu deutlich pünktlicheren Transitzeiten auf den drei wichtigsten Handelsrouten geführt. So reduzierten sich die Verspätungen auf der Transpazifik-Route von 8,82 Tagen im Oktober 2021 auf 4,8 Tage im Oktober 2022. Das entspricht einer Verbesserung von 46 Prozent. Auf der Asien-Europa-Route verringerten sich die Verspätungen sogar um 64 Prozent von 8,8 Tagen auf nur noch 3,1 Tage und auf der Transatlantik-Route um 63 Prozent von 10,5 Tagen auf 3,9 Tage im Vergleich zum Vorjahr. Dieser Trend zu pünktlichen Transitzeiten wurde auf der Transpazifik-Route unterbrochen. Die Ursachen waren hier die zunehmende Überlastung der Häfen in Oakland und Kanada. Das führte zu eine Zunahme von Verspätungen um drei Prozent zwischen September und Oktober 2022. “Die Überlastung der Häfen ist nicht mehr das globale Problem, obgleich die Engpässe die grundlegenden Veränderungen in der Lieferkette verdeutlichen. Sie zeigen aber auch die Notwendigkeit, die Hafeninfrastrukturen in Ländern wie Indien, in Südostasien und an der Ostküste der USA zu verbessern“, sagt J. Brazil hierzu. Dies könne aber nicht Nacht geschehen, so der Manager weiter. „Darum werden die Verlader noch mittelfristig mit einigen Wachstumsschmerzen leben müssen. Aber das ist ein Preis, der es wert ist, um langfristig mehr Kapazität und Flexibilität im System zu schaffen”, so J. Brazil abschließend.
Containermarkt – Ausblick für Verlader erfreulich
Wie bereits festgestellt ist im Containermarkt die Luft vorläufig draußen, zum Nachteil der Reedereien. Die Verlader haben auf die Containerpreis-Rallye mit einer Umstellung von einer „Just-in-time“- Lieferkette auf eine „Just-in-case“-Lieferkette reagiert und sitzen jetzt auf Rekordbeständen. Im August lagerten alleine die Einzelhändler der USA Waren im Wert von 740 Milliarden US-Dollar ein. Das entspricht einem Anstieg von 21 Prozent seit dem Beginn der weltweiten Lieferkettenprobleme im Oktober des letzten Jahres. Was für Reedereien unerfreulich ist, bietet aber den Verladern, die noch ihre Lieferketten optimieren wollen, viele Chancen, dies nun kostengünstiger zu tun. Gleichzeitig können sie nun auch härter mit den Reedereien um Frachtpreise verhandeln. Aber auch für die Endverbraucher dürfte die vorweihnachtliche Einkaufssaison wieder weniger holprig verlaufen.
Containermarkt – Für Reedereien kaum Entspannung in Sicht
Unterdessen gibt es für Reedereien kaum Anzeichen für eine baldige Verbesserung Lage. Rezessive Entwicklungen in den USA und Europa in Verbindung mit den wirtschaftlichen Problemen Chinas und der Vernichtungskrieg Putin-Russlands in der Ukraine dürften den Nachfragerückgang bei Containergütern nur fortsetzen und weltweit weiter für Unsicherheit sorgen.“Die Verlader sind dabei, die globalen Lieferketten neu zu gestalten, um auf die logistischen Probleme zu reagieren, die sie nach der Pandemie und dem traumatischen Nachfrageschock in diesem Zusammenhang spürten.“, so J. Brazil abschließend.
US-Warenbewegungen verschieben sich
Interessant ist dabei übrigens noch ein weiteres Ergebnis der Marktuntersuchung von projekt44: Es hat eine Verlagerung der Warenbewegungen und Ladungen von der US-Westküste zur Ostküste und eine Verschiebung von China nach Südostasien sowie auf den indischen Subkontinent gegeben. Es dürfte sich also für die verladende Industrie und den Handel auszahlen, ihre Lieferketten zu diversifizieren, um flexibel zu bleiben und sicherzustellen, dass man über eine gute Sichtbarkeit und Transparenz innerhalb der Lieferketten verfügt. So lassen sich Lieferkettenprobleme schon im Vorfeld ausschließen bzw. sind sie besser bewältigbar.
project44 in Kürze
Als verbindendes Element in der Lieferkette betreibt project44 nach eigenen Angaben „die weltweit zuverlässigste, neutrale Supply-Chain-Visibility-Plattform“, die jährlich den Weg von mehr als einer Milliarde Sendungen für über 1.200 führende Marken transparent verfolgt. Zu den Nutzern gehören unter anderem Top-Unternehmen aus der Fertigungsindustrie, der Automobilbranche, dem Einzelhandel, der Biowissenschaft, der Lebensmittel- und Getränkeindustrie sowie aus den Bereichen Öl, Chemie und Gas. Mit project44 sorgen Verlader und Frachtführer auf der ganzen Welt für mehr Vorhersehbarkeit, Belastbarkeit und Nachhaltigkeit. Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Chicago und das Team verteilt sich auf 23 Niederlassungen weltweit. Zu den 10 Standorten in Europa gehören unter anderem Büros in Hamburg, Rostock und München.
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