Eine jüngst veröffentlichte Studie zeigt, dass der Import von Containern von Shanghai in den süddeutschen Raum am schnellsten und günstigsten über Hamburg vollzogen werden kann. Das rückt den Hafen Wien noch näher zur Welt.

Der Hafen Wien gilt als der Importhafen für Österreich schlechthin. Und er gilt mit seinen mehr als 12 Millionen Tonnen an Frachtumschlag als eines der größten Güterverkehrszentren Österreichs. Neben dem Kerngeschäft des Güterumschlages betreibt das Unternehmen einen Containerterminal, einen Autoterminal sowie ein erschlossenes Betriebsbaugebiet. Insbesondere der Containerterminal Wiencont im Hafen Freudenau ist dabei der zentrale Knoten, vor allem im Übersee-Containerverkehr. Im vergangenen Jahr wurden dort rund 450.000 Containereinheiten umgeschlagen. Das sind zwar rund 5,7 Prozent weniger als noch im Jahr 2014, dennoch bewegt man sich damit im langjährigen Durchschnitt.
Container über Bahn
Im Wesentlichen werden die Container von Wiencont über die Bahn abgewickelt; derzeit sind es dabei rund 100 Ganzzüge pro Woche. Schwerpunktdestinationen sind hierbei die Seehäfen Hamburg und Bremerhaven. Rotterdam. Antwerpen und das Ruhrgebiet sind weitere Destinationen, mit denen der Hafen Wien vernetzt ist. In östlicher und südlicher Richtung werden Koper, Villach und Triest bedient. Ebenso gibt es Verbindungen mit Bludenz und Hall sowie mit Budapest, Arad, Rijeka; Moskau und demnächst auch nach Istanbul. In der Zukunft sollen von hier aus aber auch Züge nach Polen und Kroatien auf die Reise gehen, ebenso, wie die transsibirische Eisenbahn ins Netzwerk eingebunden werden soll. Für den Ausbau seiner Ganzzugsanbindungen investiert der Hafen Wien daher in fünf zusätzliche ganzzuglange Gleise auf Flächen, die durch eine Teilverlandung des Hafenbeckens entstanden sind. Zudem wird derzeit ein neues Terminal Operating System (TOM) programmiert, welche die Abfertigung der Ganzzüge und Lkw effizienter gestalten soll.
Hafen Wien auf Best Route
Diese Investitionen dürften gut angelegtes Geld sein, insbesondere im Hinblick auf die 100 Ganzzugsverbindungen vom Hafen Wien in Richtung Hamburg. Das lässt sich aus der veröffentlichten Studie „Best-route market study for containerised imports to South Germany“ der Supply-Chain-Berater der Drewry-Gruppe schließen, die im März veröffentlicht wurde. Die Studie hat nämlich die Route über den Hafen Hamburg als diejenige ermittelt, über die der Import von Containern von Shanghai in den süddeutschen Raum am schnellsten und am günstigsten vollzogen werden kann. Hamburg schneidet demnach in fast allen betrachteten Märkten besser ab als Rotterdam, als Antwerpen und als die Südhäfen im Mittelmeer. Dazu trägt die Vielzahl an direkten Verbindungen, die hohe Abfahrtsfrequenz der Güterzüge und die schnelle Transitzeit von und zur Hamburger Kaimauer maßgeblich bei.
Der Hafen Wien gilt mit seinen mehr als 12 Millionen Tonnen Frachtumschlag als eines der größten Güterverkehrszentren Österreichs.
Nordrange vs. Südrange
Entlang der Nordrange werden zurzeit insgesamt 16 Fernost-Liniendienste von den großen Containerreedereien angeboten. Die beiden führenden Häfen sind in dieser Statistik Rotterdam und Hamburg, die von 15 beziehungsweise 13 dieser 16 Liniendienste angelaufen werden. Antwerpen hingegen wird mit einer Summe von sechs Liniendiensten nur von weniger als der Hälfte aller möglichen Dienste bedient. Bei der Transitzeit auf See, die für die Berechnung der Routenschnelligkeit bei dieser Studie ein wichtiger Faktor ist, kommen Hamburg und Rotterdam auf durchschnittlich 33 Tage bei Bestzeiten von jeweils 29 Tagen. Der Hafen Antwerpen, der in der Berechnung seinen besonders schnellen 25-Tage-Liniendienst von MSC einfließen lassen kann, kommt im Mittel aller sechs Liniendienste auf 36 Tage. Da die Studie die Spitzenzeiten vergleicht, wird Antwerpen mehrfach als schnellste Option im Vergleich der Häfen ausgewiesen, was allerdings nur zu bestimmten Zeitpunkten zutrifft. Im Gesamtvergleich, also bei den durchschnittlichen Transitzeiten, fällt Antwerpen hinter Hamburg und Rotterdam zurück.
Kooper gut, aber zu wenig Linien. Bei den Südhäfen kommt dem Hafen Koper ebenfalls ein 25-Tage-Liniendienst zugute. Auch die durchschnittliche Transitzeit auf See liegt entlang der Südhäfen aufgrund der geographischen Lage im logischen Schluss niedriger als bei den Nordrange-Häfen, dafür liegt die Anzahl der Liniendienste nur zwischen drei und fünf und alle Häfen außer Triest haben Größenrestriktionen bei Containerschiffen mit einer Größe von über 13.000 TEU.
Transit nicht alles
In fast allen betrachteten Zielregionen ist der Hamburger Hafen am besten positioniert: Im Verkehr mit Freiburg, Nürnberg und Stuttgart spielen die Südhäfen bisher noch keine Rolle, hier sind die drei Nordrange-Häfen Rotterdam, Antwerpen und Hamburg die einzigen Optionen zu wettbewerbsfähigen Konditionen. In Freiburg kann der Hamburger Hafen seine Stärken voll ausspielen, so können die dort ansässigen Verlader von günstigeren Raten und schnellerer oder gleicher Transitzeit im Vergleich mit Rotterdam und Antwerpen auf der Strecke von und nach Shanghai profitieren. Für die Regionen Stuttgart und Nürnberg lässt sich in der Studie festhalten, dass schnellere Transitzeit höhere Transportkosten bedeuten. Antwerpen bietet hier die schnellere, aber eben auch teurere Verbindung an. Das gilt allerdings auch nur für den besonders schnellen Liniendienst von MSC, der den Seeweg in 25 Tagen zurücklegt. Bei der Nutzung anderer Liniendienste ist die Zeitersparnis im Vergleich zu Hamburg und Rotterdam hinfällig.
Kooper schnell bis München. In der größten der betrachteten Regionen, dem Raum München, kann der Hafen Koper für Verlader zwar die schnellste Option sein, dafür müssen aber einige Voraussetzungen erfüllt sein: Lediglich der Liniendienst der Allianz „2M“, der dort einmal wöchentlich verkehrt, bietet in Verbindung mit der entsprechenden Bahnverbindung den zeitlichen Vorsprung, der die Mehrkosten von 100 USD im Vergleich zum Routing über Hamburger Hafen für dringliche Güter aufwiegen kann. Für Güter ohne hohen Zeitdruck ist Hamburg hier am besten aufgestellt. Nur mit Hamburg gibt es mehrfache tägliche Zugverbindungen und eine Zugankunft direkt am nächsten Tag, wodurch der Verladerschaft zusätzliche Flexibilität geboten wird.
Abfahrtsdichte zählt
In allen genannten Beispielen kommt eine Stärke des Hamburger Hafens zum Tragen: Die höhere Abfahrtsdichte der Containerzugverbindungen mit den Hamburger Terminals steigert die Flexibilität und macht die Transportkette elastischer. Das zeigt auch das Beispiel Ulm: Dieser Markt wird ausschließlich von Hamburg und dem Südhafen Triest bedient. Der Hafen Triest kann nur eine wöchentliche Containerzugverbindung nach Ulm vorweisen. Wird dieser eine Zug von oder nach Triest verpasst, muss auf Lkws ausgewichen oder eine Woche gewartet werden, wodurch die Zeitersparnis auf dem kürzeren Seeweg dann nicht mehr vorhanden ist. Dagegen fährt von und nach Hamburg ein Zug in täglicher Taktung und bietet eine verlässliche und preisgünstigere Anbindung nach Shanghai.
Hamburg für Süddeutschland
Viele weitere Terminals in Süddeutschland, die in der Studie nicht betrachtet wurden, stellen die Stärken Hamburgs auch in der Breite unter Beweis: Augsburg, Regensburg, Wiesau, Hof, Schweinfurt, Ingolstadt und Mannheim sind nur einige Beispiele für Städte, die ebenfalls schnell und flexibel an den Hamburger Hafen angebunden sind. Diese Zielregionen weisen zum Teil noch keine Verbindungen zu den anderen Nordrange-Häfen oder den Südhäfen auf. Hamburg ist den Experten von Drewry zufolge somit der stärkste Hafen für das süddeutsche Hinterland und wird diese Position in absehbarer Zeit auch nicht verlieren.