Brexit 2021 – Die EURO 2020 ist gelaufen, Italien ist Fußball-Europameister. Großbritannien und die EU kehren nun wieder zurück zum Business-Alltag. Und der ist geprägt vom Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU und seinen Herausforderungen, wie sie sich etwa beim Zoll stellen. Unternehmen mit grenzübergreifenden Warenbewegungen sind davon ganz besonders betroffen. Wie sie diese meistern können, dafür gibt es hier einige Tipps.
(Ein Fachbeitrag von Tom Coppock* )
Das Fußballspektakel EURO 2020 ist gelaufen. Italien stand gegen England im geschichtsträchtigen Wembley Stadion im Endspiel und konnte die Briten in einem spannenden Elfmeterschießen auf Rang zwei verweisen. Die Squadra Azzurra ist gestern also Europa Fußballmeister geworden und holte, nach 1968, zum zweiten Mal den begehrten Titel. Was die Tifosi in der Welt nahezu zur Ekstase euphorisierte, führte Großbritannien wieder zurück auf den Boden der Tatsachen: Der Gewinn eines großen Fußballturniers ist einmal mehr auf unbestimmte Zeit verschoben, der Brexit schafft neue Fakten und die Corona-Pandemie ist doch noch nicht vorbei.
Brexit 2021 – Herausforderung „Zoll“
Seit heute, 12. Juli 2021, müssen sich also Briten wie EU-Europäer gleichermaßen wieder den Herausforderungen, die mit dem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs einhergehen, stellen. Sie befürchten dabei nicht zu Unrecht Verzögerungen und hohe Kosten im Zusammenhang mit Brexit-bedingten Prozessen. So ist beispielsweise für eine Just-in-time-Supply-Chain das achtzigfache an Zollformularen notwendig. Sind Dokumente fehlerhaft, sorgt das für verzögerte Lieferungen oder sogar deren Storno. Hunderte Mitarbeiter sind zusätzlich nötig, um Zolldaten zu übertragen und zugehörige Serviceprobleme zu lösen. Das sind nur einige wenige Aspekte, mit denen der Brexit vor allem Export-, Import- und Logistikunternehmen belastet. Was zunächst schier unlösbar scheint, lässt sich allerdings mit der passenden Technologie und folgenden Tipps erfolgreich überwinden.
Dokumente analysieren
Eine der größten Herausforderungen, die Unternehmen durch den Brexit entstehen, ist, dass deutlich mehr Dokumente anfallen. Um nicht im Papierchaos zu versinken, braucht es ein Tool, das sowohl physische als auch digitale Dokumente verarbeiten kann. Mit der Verarbeitung allein ist es aber nicht getan, denn das System muss wichtige Daten aus diesen Inhalten extrahieren können. Nur so lässt sich die Erfassung von Informationen aus Inhalten beschleunigen. Dazu benötigt es Funktionen wie kognitive Erfassung und künstliche Intelligenz (KI).
Kognitive Erfassung. Dieser Teil der Lösung kombiniert eine Reihe von Verarbeitungstechnologien, darunter OCR (Optical Character Recognition, optische Zeichenerkennung) sowie Musterabgleiche. Somit lassen sich (un)strukturierte Daten automatisiert erfassen, analysieren und integrieren. Der Brexit hat dazu geführt, dass Unternehmen eine Vielzahl komplexer Dokumente verarbeiten müssen, darunter CMR-Frachtbriefe, Rechnungen oder Single Administrative Documents (SAD oder C88). Will man diese manuell bearbeiten, führt dies zu Verzögerungen, höheren Kosten und mehr Fehlern. Mit kognitiver Erfassung lassen sich die Daten hingegen automatisch auslesen. Ein reibungsloser Geschäftsbetrieb ist damit sichergestellt.
Künstliche Intelligenz (KI). Mittels KI und entsprechender Algorithmen lassen sich verschiedene Informationen schnell identifizieren und klassifizieren. Ein auf KI basierendes System ist sehr viel schneller in der Lage, Codes zu schreiben oder Skripte zu nutzen, die dazu dienen, Dokumente und Daten zu verarbeiten und zu identifizieren. Die Lösung sollte darüber hinaus auch imstande sein, natürliche Sprache verarbeiten zu können, sodass sie eingehende Dokumente oder E-Mails „lesen“ und automatisch einer entsprechenden Lieferung, einer Auftragsnummer oder einem Datensatz im ERP-System zuordnet. Falls die KI keine Übereinstimmung findet, leitet sie die Dokumente unmittelbar an den zuständigen Mitarbeiter weiter. Auf Grundlage von Ausnahmen kann die KI kontinuierlich dazulernen und so ihre Fähigkeit verbessern, mit ähnlichen Dokumenten oder Mitteilungen entsprechend umzugehen.
Systeme integrieren
Mit dem Brexit kommen neue Schritte, Integrationspunkte und Anforderungen zu den bereits komplexen Prozessen hinzu. Diese umfassen verschiedene Unternehmen, Organisationen und Anwendungen. So werden Zollsysteme, die speziell auf den E-Binnenmarkt ausgerichtet sind, aktualisiert oder ersetzt, um internationale Handelsanforderungen zu modellieren. Anbieter von Logistiksoftware haben daher bereits Schnittstellen und Datenformate als Teil ihrer Brexit-Strategie eingeführt. Das im Unternehmen eingesetzte Tool muss es also ermöglichen, separate Systeme in Workflows zu integrieren. Es muss sowohl einfache Szenarien unterstützen – etwa die Integration eines Posteingangs, um eingehende E-Mails zu lesen – als auch komplizierte, wie die Tiefenintegration mit ERP- und Buchhaltungssystemen.
Prozesse orchestrieren
Durch den Brexit haben sich bestehende Prozesse verändert, beispielsweise welche Informationen für den Transport von Gütern zwischen der EU und Großbritannien erforderlich sind. Das hat sogar zu gänzlich neuen Anforderungen geführt, wie etwa dem Nordirland-Protokoll und der Kent-Zugangsgenehmigung (Kent Access Permit) für LKWs. Um hier Schritt zu halten, müssen Unternehmen ihre Workflows automatisieren und somit ihre Geschäftsprozesse optimieren. Dabei kann die Prozessorchestrierung unterstützen: Sie modelliert, verwaltet und überwacht verschiedene Akteure und Systeme in einem Workflow. Eine Geschäftsprozessanalyse definiert die grundlegenden Schritte, die für die Orchestrierung erforderlich sind. Unternehmen betten hier Regeln und Service Level Agreements ein, um ihre erfolgreiche Ausführung zu gewährleisten. Dadurch, dass Prozessorchestrierung permanent Zeit, Ressourcen und Kosten überwacht, können Unternehmen jederzeit Optimierungspotenziale für mehr Effizienz aufdecken und ausschöpfen. Ein entsprechendes System ist ebenso in der Lage, auch später noch weitere Schritte zu einem Workflow hinzuzufügen, ohne dass dazu ein hoher Programmieraufwand notwendig ist. Somit schafft die Prozessorchestrierung die notwendige Flexibilität, sich an komplexe Prozesse anzupassen und neuen Anforderungen zu entsprechen.
Aufgaben automatisieren
Viele Unternehmen setzen schon seit längerer Zeit Robotic Process Automation (RPA) ein, um manuelle, repetitive Aufgaben zu automatisieren, etwa das Abrufen von Daten aus einem Lieferantenportal. Auch der Brexit macht eine Reihe solcher arbeitsintensiven Tätigkeiten erforderlich, etwa die Eingabe von Daten, das Suchen von Warencodes oder das Ausfüllen von Formularen. Mittels RPA und entsprechenden Software-Robotern lassen sich diese Herausforderungen erfolgreich bewältigen – ohne dass Kosten für Aufwände oder die Erweiterung der Belegschaft anfallen. Die Roboter unterstützen Mitarbeitende schnell und zuverlässig beim Beantworten von E-Mails, suchen bei Bedarf Auftragsdaten oder Warencodes oder versenden Importdaten in einer Zollanmeldung. Dafür können sich die Angestellten auf höherwertige Tätigkeiten konzentrieren, etwa den Bereich Kundenservice.
Brexit 2021 – Ohne Automatisierung geht es nicht
Eine intelligente Automatisierungsplattform mit entsprechenden technologischen Features unterstützt eine vollständige Automatisierung sämtlicher Prozesse in der Zollabfertigung. Entscheiden sich Unternehmen für den Einsatz einer solchen Software, lassen sich viele Erfordernisse und Herausforderungen meistern. Viele Prozesse erfordern im Rahmen des Brexits einen vollumfänglichen, einheitlichen Dokumentensatz, bevor sie sich in weiteren Abläufen einsetzen lassen. Der Brexit ändert zwar sicherlich die Art und Weise, wie Handel betrieben wird. Aber mittels geeigneter Software lassen sich die Formularverarbeitung, die Dateneingabe und -abgleiche deutlich beschleunigen.
(*Tom Coppock ist Manager Solution Engineering bei Kofax)