SSI Schäfer IT Solutions ist die strukturelle Antwort des Intralogistik-Spezialisten auf die Herausforderungen der Digitalisierung und Industrie 4.0 etc. Franz Bauer-Kieslinger, CEO SSI Schäfer IT Solutions, diskutiert mit CR Hans-Joachim Schlobach über disruptive Entwicklungen in der Logistik, Amazon und wo er sein Unternehmen in diesem Zusammenhang sieht.
blogistic.net: Herr Bauer-Kieslinger, auf dem BVL-Kongress in Berlin war „Disruption“ ein zentrales Thema. Disruptive Entwicklungen werden also auch die Logistik bestimmen. Wo ordnen Sie Ihr Unternehmen heute ein?
Bauer-Kieslinger: Disruption ist per Definition das Zerstören und Zerreißen bestehender Strukturen. SSI Schäfer ist heute ein Systemlösungsanbieter. Wir planen, konzeptionieren und produzieren Systeme zur Einrichtung von Lagern, Betrieben, Werkstätten und Büros, manuelle und automatische Lager-, Förder-, Kommissionier- und Sortiersysteme sowie Lösungen für Abfalltechnik und Recycling. Seit einigen Jahren haben wir uns auch zu einem der größten Anbieter für releasefähige Software für den innerbetrieblichen Materialfluss entwickelt. Unser Anspruch ist es, den Anwendern das bestmögliche System zu realisieren. Das ist die Gegenwart. Aber natürlich entwickeln wir uns weiter und stellen uns bewusst den Herausforderungen der Zukunft.
blogistic.net: Was ist Ihre Gegenwart?
Bauer-Kieslinger: Insbesondere bei SSI Schäfer IT Solutions beschäftigen wir uns sehr intensiv mit den Themen Digitalisierung und digitaler Transformation, aber immer mit dem Fokus Kundennutzen, d.h., durch Integration von Smart Devices, durch gezielten Einsatz generischer Algorithmen zur Optimierung der Warenströme und der Warenbewirtschaftung selbst. Die Themen sind hier etwa „Prediction / Order Foresighting“, der in Echtzeit verfügbaren 360° Blick auf die Anlage, Transparenz und Steuerbarkeit, bis hin zum Einsatz neuerster Technologie im Bereich Robotics. Wir wollen unsere Anlagen noch effizienter und produktiver für unsere Kunden gestalten.
blogistic.net: Was könnte aus Ihrer Perspektive für die Logistik disruptiv sein?
Bauer-Kieslinger: Ich denke, die Logistik ist viel mehr „Profiteur“ disruptiver Geschäftsmodelle, insbesondere der Bereich, in dem wir uns bewegen. Der Grund ist einfach: Warenbewegungen finden immer statt und diese müssen immer so effizient wie möglich sein. Nur die Ausgestaltung der Systeme selbst, wie auch die Geschwindigkeit der prozessualen Veränderungen, die durch die disruptiven Geschäftsmodelle hervorgerufen werden, haben einen erheblichen Impact auf unser Business.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus den USA, aus der Region Indianapolis: Dort stand noch vor zehn Jahren zwar ein großer Fedex-Hub, aber keine Lagerhäuser. Aufgrund der Topologie ist die Region aber ideal für E-Commerce-Anbieter. Darum sind heute dort die großen Anbieter wie Walmart, Amazon usw. angesiedelt. Das sind unsere Märkte. Was wir derzeit in den USA erleben, ist ein Wandel der Ökonomie von der Produktion in Richtung Handel und Dienstleistung. Und wir erleben, dass neue Player die Aufgaben von etablierten Unternehmen übernehmen.
blogistic.net: SSI Schäfer hat ja ein enormes Logistik-Knowhow angesammelt. Könnten Sie sich vorstellen, selbst solche Logistikaufgaben zu übernehmen?
Bauer-Kieslinger: Unsere Kernkompetenz ist die Planung und Realisierung hoch effizienter Logistiksysteme für unsere Kunden. Darüber hinaus werden wir in Zukunft mit unserer Softwareplattform in die Lagerübergreifende Vernetzung und Optimierung der Warenströme gehen, Stichwort SCE. Wir werden nicht das Business unserer Kunden korrumpieren. Das ist auch nicht unsere Kompetenz. Was wir unseren Kunden aber selbstverständlich anbieten, ist, sie im Betreiben ihrer Systeme durch unsere fachspezifischen Kompetenzen zu unterstützen.
blogistic.net: Sehen Sie SSI Schäfer als Disruptor?
Bauer-Kieslinger: Die Automatisierung für sich gesehen ist nicht disruptiv, d.h. auch ein automatisiertes Lager zu installieren und zu betreiben ist nicht disruptiv.
blogistic.net: Aber man könnte sagen, dass Sie die Disruption erst ermöglichen? Sie versetzen ja letztlich Disruptoren wie etwa Amazon oder Tesla in die Lage, ihr disruptives Business umzusetzen. Amazon tritt heute sogar schon als Logistiker auf und setzt die Player auf der letzten Meile unter Druck….
Bauer-Kieslinger: Dass wir das disruptive Geschäftsmodell unserer Kunden erst ermöglichen, wäre vermessen zu sagen. Eher würde ich sagen, dass wir durch unsere Systeme eine effiziente und wirtschaftliche Umsetzung disruptiver Entwicklungen bei unserer Kunden unterstützen.
Dabei müssen Sie sehen, Herr Schlobach, dass Unternehmen wie Amazon selbst auch ein Teil regionaler und globaler Marktentwicklungen sind, die sich jetzt eben als disruptiv für einige Branchen erweisen. Jeff Bezon hat letztendlich nur eines in den Mittelpunkt seines Handelns und seiner Entscheidungen gestellt: das bestmögliche Service seinen Kunden bieten! Daraus hat er ein Geschäftsmodell entwickelt, das das Convenience-Bedürfnis der Verbraucher befriedigt! Er hat mit dieser Strategie nach und nach eine Marktdominanz aufgebaut, die einerseits den klassischen Handel verdrängt und andererseits die Anbieter der gehandelten Produkte in Zugzwang versetzt.
Hier kommen Sie zum Artikel „INTRALOGISTIK – Die Unterstützer der Disruption“
blogistic.net: Womit verdient Bezos aber sein Geld?
Bauer-Kieslinger: Für diese Frage bin ich der falsche Adressat. Aber ein Geheimnis seines Geschäftserfolges liegt mit Sicherheit in der Geschwindigkeit und der Flexibilität seiner Systeme und das frühzeitige Nutzen des Internets als globale Handelsplattform. Diese hat er systematisch aufgebaut und so perfektioniert, dass der Amazon-Kunde einen Benefit hat, der Convenience heißt.
blogistic.net: Was ist das Disruptive an solchen Geschäftsmodellen?
Bauer-Kieslinger: Disruptiv an solchen Geschäftsmodellen ist, dass gegenüber dem „klassischen“ Geschäftsmodell einzelne oder mehrere Prozessschritte der Supply Chain nicht mehr benötigt werden. Wenn ich jetzt schwarz / weiss denke – die Produkte sind global verfügbar. Warum brauche ich einen Zwischenhändler? Die Lieferung erfolgt nach Hause. Warum brauche ich Shops?
blogistic.net: Können Sie Analogien für SSI Schäfer herstellen?
Bauer-Kieslinger: Wir stellen uns jeden Tag die Frage, was könnte, resp. wie könnten wir selbst unser eigenes Geschäft korrumpieren. Dies schärft unseren Fokus und unsere Entscheidungen. Aber in der digitalisierten Welt in der wir uns befinden und ein Teil dessen wir sind, ist es unser tägliches Brot, Prozesse einfacher, effizienter und flexibler zu machen, Prozessschritte zu eliminieren und den Nutzen für den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Diese Fokussierung bringt uns zu neuen Lösungen und Dienstleistungen. So gehen wir etwa mit WAMAS in die Cloud. Damit sprechen wir viele kleinere und mittlere Kunden an. Das Stichwort heißt hier „Skalierbarkeit“. WAMAS in der Cloud erlaubt uns, ganz andere Skalierungseffekte, die vorher nicht möglich waren. Durch Verwendung generischer Algorithmen unter Verwendung riesiger Datenmengen werden wir den Weg Richtung selbstlernende Parametrierung unserer Anlagen gehen. Hier sprechen wir über Anwendungen von „Machine Learning / KI“. Die ersten Schritte hierzu wurden bereits gesetzt.
blogistic.net: Wie schalten Sie aber Zwischenschritte aus, indem Sie WAMAS in die Cloud schicken?
Bauer-Kieslinger: Im Vordergrund stehen hier Geschwindigkeit und Skalierbarkeit. Dem Anwender wird hier ein auf definierten Lagerprozessen aufbauendes und einfach bedienbares Lagerverwaltungssystem zur Verfügung gestellt, ohne dass er sich im eigenen Haus die entsprechende Infrastruktur einzurichten hat. Das adressiert das Thema Geschwindigkeit. Entsprechend der Leistungsanforderung werden dem Kunden die entsprechenden Kapazitäten zur Verfügung gestellt – Skalierbarkeit.
blogistic.net: Die Grundlagen davon, aber auch von „Machine Learning“ sind aber riesige Datenmengen….
Bauer-Kieslinger: Richtig. Das ist wirklich Big Data und dafür benötigen Sie gewaltige Rechnerkapazitäten. Diese Entwicklung, die für manche Branchen auch disruptiv ist, ist in vollem Gange. Und wir von SSI Schäfer IT Solutions sind mitten drin.
blogistic.net: Vielen Dank für das spannende Gespräch.
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