Deutschland und Österreich altern und verlieren daher an Wettbewerbsfähigkeit. Die App-Economy mit intelligenten, mobilen Geschäftsprozessen, könnte für diese Ökonomien daher zum dringend benötigten Produktivitätsturbo werden. Vorausgesetzt, die Unternehmen erkennen darin eine Chance für sich und nutzen diese auch. Derzeit ist man diesbezüglich jedoch noch eher zurückhaltend – und verliert daher an Boden.

Die Ökonomien Deutschlands und Österreichs teilen mit den meisten anderen Industrienationen ein Merkmal, das sich auf die weitere Entwicklung des Wohlstands negativ auszuwirken droht: Sie altert rapide. In 25 Jahren wird jeder dritte Bürger in diesen Ländern über 60 Jahre alt sein. Anteilsmäßig sind dies mehr als doppelt so viele pro Kopf der 20- bis 60-Jährigen wie heute. Dies ist ein dramatischer Strukturwandel der Bevölkerung im deutschsprachigen Raum und bedeutet bekanntlich: Immer weniger Arbeitskräfte stehen zur Verfügung, um die vielen Nicht-Arbeitenden mit zu versorgen.
Produktivität stagniert derzeit
Der demographische Wandel bedeutet mittelfristig, also etwa in 15 Jahren, einen rasanten Anstieg der Pensionsbezieher und gleichzeitig ein Sinken der Beitragszahler in die Rentenversicherung. Dementsprechend steigt auch die Anzahl der Personen, die Leistungen aus der gesetzlichen Krankenkasse benötigen, denen weniger Menschen gegenüber stehen, die in die gesetzlichen Krankenversicherungen einzahlen. Somit sind letztlich alle sozialen Sicherungssysteme bedroht, wenn es weniger Erwerbstätige für die beitragsfinanzierten Sozialversicherungen geben wird.
Weniger Wohlstand. Weniger Erwerbstätige, also Produzenten von Gütern und Dienstleistungen, heißt notwendigerweise, dass das Bruttoinlandsprodukt, nachdem in Deutschland und Österreich der Wohlstand gemessen wird, sinkt. Der ökonomische Lebensstandard, definiert als Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung, wird erzeugt als Produkt der in die Volkswirtschaft gesteckten Ressourcen (vor allem die Anzahl der Arbeitsstunden, aber auch des Realkapitals, also Maschinen und Ausrüstungen), multipliziert mit der Produktivität, die in Arbeit und Maschinen eingesetzt wird.
Der Ausweg aus dieser Situation sind nach Angaben sämtlicher Analysten massive Investitionen in die Produktivität, um diese dramatisch zu steigern. In diesem Bezug zeichnen die Entwicklungen in Deutschland jedoch ein eher düsteres Bild, wie ein Blick auf die aktuellen Zahlen des statistischen Bundesamts in Deutschland und der Statistik Austria verrät. In den letzten zehn Jahren hat sich die Produktivität in Deutschland mit einer anämischen Rate von nur 0,9 Prozent erhöht und liegt damit im hinteren Mittelfeld. Österreichs Produktivitätszuwachs ist hingegen noch schlechter und hat sich 2014 im Vergleich zu 2013 bei 0,5 Prozent eingependelt. Mit anderen Worten: Die Unternehmen investieren nur zögerlich und die Produktivität stagniert. Und das heißt nichts anderes als den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit samt damit verbundenem Wohlstand.

Wir stehen vor einem Produktivitätsschub, der nur noch mit dem der Nutzung des Internets Anfang des neuen Jahrtausends vergleichbar ist. Philipp Weirauch, CEO Check Mobile, Hamburg
Herumeiern nicht erlaubt. Erschwerend kommt hinzu, dass deutsche und österreichische Unternehmen derzeit noch zögern, die Chancen zu ergreifen, die der Hauptproduktivitätstreiber von heute bietet: die Digitalisierung. Trotz aller Popularisierung des Themas mit dem Schlagwort „Industrie 4.0“ hinkt insbesondere der Mittelstand dem internationalen Trend hinterher. Dabei trauen Technologieexperten der digitalisierten Wirtschaft eine enorme Steigerung von Effizienz und Produktivität zu. So meint etwa Philipp Weirauch, CEO von Check Mobile, einem Anbieter von cloudbasierter Business-Software, gegenüber INNOVATION&BUSINESS: „Wir stehen vor einem Produktivitätsschub, der nur noch mit dem der Nutzung des Internets Anfang des neuen Jahrtausends vergleichbar ist.“ Und in der Tat: Durch die Zusammen-führung von eigentlich unabhängig entwickelten Technologien – nämlich mobilen Endgeräten mit zugehörigen Business-Apps, dem Cloud Computing und Big-Data-Lösungen – können kleine und große Unternehmen völlig neue Geschäftsprozesse aufsetzen, ihre bereits bestehenden in ihrer Produktivität stark verbessern und selbst ohne großes Know-how die exakt auf ihren Betrieb abgestimmte Business-Software entwickeln. „Die digitalisierte App-Economy ist dabei, unter Einsatz von immer mehr künstlicher Intelligenz die gesamte Wertschöpfungskette ohne Prozessbrüche zu automatisieren, von Büroarbeiten über appgesteuerte Produktion bis hin zur komplett digitalen Lieferkette. Nur: Aktiv werden müssen die Unternehmen natürlich schon selbst. Zögern und Durchwursteln hat noch nie zum Fortschritt beigetragen“, so Ph. Weirauch weiter.
Rettung durch mobile Business-Apps?
Es ist so: Mit mobilen Business-Apps auf der Basis einer flexiblen Infrastruktur tun sich für dynamische Unternehmen völlig neue Perspektiven auf. Zu verdanken ist dies der weiten Verbreitung mobiler Endgeräte (Smartphones und Tablets) in den Unternehmen, die Mitarbeitern erlauben, jederzeit und von jedem Ort aus auf wichtige Applikationen zuzugreifen. In Verbindung mit intelligenter Business-Software, die Informationen aus dem Backend schnell verarbeiten und nutzerfreundlich aufbereiten kann, lassen sich Prozesse beschleunigen und auch von Mitarbeitern mit geringerer Qualifikation zuverlässig ausführen. Entscheidend dabei ist, dass die Prozesssoftware nicht mehr in Form großer Pakete in der IT-Abteilung der Unternehmen liegen muss, sondern als besonders einfach zu bedienende App über das Internet genutzt werden kann – idealerweise direkt über eine Cloud-Lösung, die die Prozesssteuerung und -abwicklung übernimmt. Moderne Lösungen hierzu erlauben eine schnelle Anpassung der Apps an neue Situationen, ohne dass der Nutzer dabei nennenswerten eigenen Programmieraufwand erbringen muss.
Backend und Mobilgerät in der Cloud
Hierin liegt der entscheidende Fortschritt der App-Entwicklung: Backend und Mobilgerät kommunizieren über die Cloud und sind dabei mit intelligenter Business-Software verbunden, die Datenerfassungs-, bearbeitungs- und -auswertungsprozesse verschlankt und beschleunigt, Entscheidungen fundiert unterstützt und neue Informationen wieder an das Backoffice meldet. Die Nutzung der Cloud erweitert das Konzept auf sehr einfache Weise von rein unternehmensinternen Prozessen auf das gesamte Netz von Partnern, Lieferanten und Kunden und führt damit zu einer hoch integrierten, intelligenten und dynamischen Infrastruktur, die blitzschnelles Reagieren auf neue Marktanforderungen oder sonstige Änderungserfordernisse ermöglicht. Große Prozessketten (wie etwa die Disposition von Fahrern in der Logistik, das Verwalten und Durchführen von Serviceaufträgen, das Überwachen von Wartungsintervallen, die Abwicklung von Wareneingangs- und Auslieferungsprozessen oder Retourenhandling und Dokumentation) lassen sich damit präzise steuern, dokumentieren und webbasiert von jedem mobilen Endgerät aus nutzen.
Alles andere als trivial
Was scheinbar so schnell einleuchtet, ist dennoch keine triviale Entwicklung, sondern das Ergebnis anspruchsvollster IT-Intelligenz. Denn das Zusammenspiel dieser Technologien kann seine Effizienzwirkung nur entfalten, wenn es gelingt, die Komplexität aller beteiligten Prozesse derart zu reduzieren, dass alle Abläufe so schnell und simpel vonstatten gehen können wie nötig, wie sovanta-Vorstand Michael Kern hervorhebt: „Die entscheidende Frage lautet demnach, wie sich bei der Entwicklung mobiler Apps die Komplexität intelligent verbergen und dadurch die Nutzung der Anwendungen vereinfachen lässt.“

Abkoppeln erlaubt. Die Entwickler haben längst Wege gefunden, den Nutzer von der Komplexität der Prozesse abzuschirmen. Bei den wohl intelligentesten Ansätzen werden die Steuerungsabläufe von der Infrastruktur abgekoppelt und auf eine eigene, getrennte Ebene verlagert, so dass individuelle Anpassungen und schnelle Prozessveränderungen keinen Eingriff in die Betriebsabläufe erfordern und so in Echtzeit und ohne Störung des Betriebs vorgenommen werden können. Die Komplexität moderner Business-Software lässt sich dadurch auf eine tiefere IT-Ebene beschränken, während die Prozesssteuerung auf recht einfache Abläufe (etwa simple Abfragen) innerhalb einer getrennten Anwenderebene umgeleitet wird. Wenig qualifizierte Mitarbeiter können nun Prozesse steuern, für die bisher profundes IT-Wissen erforderlich war – etwa indem sie Materialflüsse mobil überwachen und Daten mit der Business-Software im Backoffice austauschen oder indem sie bei Service- und Wartungsarbeiten Informationen aus den Unternehmensdaten-banken in Echtzeit abrufen und Updates zurück übermitteln. Individuelle Änderungen in den Prozessen können ebenfalls ohne Aufwand und Störung des laufenden Betriebs direkt in neue Transaktionen abgebildet werden.
Wie Apps die Produktivität steigern
Welcher konkrete Nutzen sich daraus ergibt, lässt sich am Beispiel der Logistik demonstrieren: Bisher wegen ihrer Komplexität nur Spezialisten offenstehende Prozesse wie etwa die SAP-Welt werden mithilfe von App, Smartphone und Cloud-Technologie auch „ganz normalen“ Anwendern zugänglich: Beispielsweise sind der Lkw-Fahrer und der Mitarbeiter an der Rampe eines Logistikunternehmens in der Lage, direkt mit dem SAP-System zu kommunizieren, ohne jemals direkten Zugriff auf die diesbezügliche Kernsoftware zu haben und die entsprechenden Daten-prozesse zu beherrschen. Aber noch weit dramatischer: In einem Produktionsbetrieb hat beispielsweise ein Sensor der Produktionslinie ein Problem gemeldet, das eine mehrstündige Verzögerung bei der Produktfertigstellung verursachen wird und automatisch die zuständige Prozessebene vorgewarnt. Durch die app-gestützte Vernetzung mit den Partnern gehört aber zu dieser Ebene nicht nur die unternehmensinterne Prozesssteuerung und -verwaltung, sondern auch der Logistik-Servicepartner, der die fertigen Produkte an der Rampe abholt. Direkt nachdem er automatisch vom Produktionsstopp informiert worden ist, kann dessen Disponent den betreffenden Lkw zu einem anderen Einsatz umdirigieren – ein mehrstündiges unproduktives Herumstehen von Lkw und Fahrer an der Rampe wird vermieden.
Prozesse zusammenführen. Ein weiteres Beispiel für die weitreichenden Vorteile der App-Economy sind Lösungen für den Handel, die die Geschäftsprozesse verschiedener Lieferketten (beispielsweise Laden-geschäft und E-Commerce) zu einem Prozess zusammenführen und so die Voraussetzung für erfolgreiche Multi- oder Cross-Channel-Modelle schaffen. Per Cloud und App lässt sich eine zentrale Stammdaten-verwaltung realisieren, die alle Vertriebskanäle konsistent mit Informationen über Filialen, Produkte, Kunden und Fulfillment-Prozesse versorgt. Dies ermöglicht eine einheitliche Lieferstrategie, indem z.B. die Kunden-Bestellungen aus dem Onlineshop an den nächstgelegenen Händler oder die nächste Filiale übermittelt werden. Die online bestellten Produkte lassen sich dann per mobiler Prozesssteuerung auf dem kürzestmöglichen Weg effizient und schnell an die gewünschte Adresse liefern.
Anwender machen Technologie fruchtbar
Bereits diese wenigen Beispiele machen deutlich, dass Cloud und intelligente Apps das allgegenwärtige Smartphone zur businesskritischen Infrastruktur erhoben haben: Start-ups und kleine Unternehmen, die sich keine eigene IT-Infrastruktur und kein vertieftes IT-Know-how leisten können oder wollen, sind auf diese Weise in der Lage, ohne lange Anlaufzeiten und großen finanziellen Aufwand individuell gestaltete Geschäftsmodelle anzubieten, deren Prozessvielfalt sonst nur größere Konkurrenten mit ihren IT-Abteilungen bewältigen können. Besonders mittelständische Unternehmen dürften davon profitieren, einfach und schnell neue Geschäftsmodelle umzusetzen oder vorhandene kunden-freundlicher zu gestalten. Smartphone, App und Cloud sind das Handwerkszeug für die dynamischen Unternehmen der Zukunft, die alle Kompetenz in den Dienst ihres Geschäftsmodells stellen wollen, ohne erst über die Hürden ausufernder IT-Infrastrukturen springen zu müssen. Makroökonomische Auswirkungen. Was unternehmensintern beginnt, hat schnell makroökonomische Auswirkungen, wie Claudia Linnhoff-Popien vom Institut für Informatik der Ludwig-Maximilians-Universität in München anmerkt: „Produktivitätssteigerung und Prozess-beschleunigung sind seit jeher Treiber für Wachstum und Wohlstand. Business-Apps schaffen durch die Mobilisierung der Geschäftswelt die Voraussetzungen für bessere und schnellere Abläufe und eine effektivere Nutzung der Arbeitszeit. So leisten sie einen wichtigen Beitrag zur volkswirtschaftlichen Entwicklung.“ Nur: Sie allein schaffen leider überhaupt nichts. Es sind die Wirtschaftsunternehmen in Logistik, Handel, Service oder Produktion, die durch intelligente Nutzung der Technologie und Entwicklung eigener Geschäftsmodelle diese Technologie fruchtbar machen – oder dies eben aus Trägheit versäumen. Denn, wie Philipp Weirauch richtig anmerkt: „Aktiv werden müssen die Unternehmen natürlich schon selbst.“
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