ABWRACKEN – Patent recycelt Panamax-Wracks in EU nachhaltig und wirtschaftlich

Bis zu 700 ausgediente Hochseeschiffe pro Jahr werden heute zumeist unter unmenschlichen und hochgradig umweltschädlichen Bedingungen in Indien, Bangladesh oder anderen Regionen in Südasien, aber auch in der Türkei abgewrackt. Als Gründe für die Abwrackpraxis werden zumeist niedrige Arbeitskosten, fehlender Arbeitnehmerschutz und fehlende Umweltauflagen und damit niedrige Kosten genannt. Das holländische Startup, Green Dock, hat in mehreren Jahren ein weltweites Patent und Business-Konzept entwickelt, welches das umweltschonende und wirtschaftliche Abwracken und Recyceln von Hochseegiganten der Panamax-Klasse in Deutschland ermöglicht. Das Rezept ist dabei ganz einfach:  hohe Produktivität, ein umfassendes Knowhow und die räumliche Nähe zu den Stahlkochern in Europa.

Green Dock: (Foto: watcherfox / Adobe Stock / RS Media World Archiv)
Green Dock: Die Panamax-Havarien sind schwimmende Zeitbomben mit erheblichen Umweltgefährdungspotenzialen. (Foto: watcherfox / Adobe Stock / RS Media World Archiv)

Ein Bericht von CR HaJo Schlobach

Hochseeschiffe haben etwas faszinierend Majestätisches, wenn sie nahezu geräuschlos mit ihrer großen Masse an einem vorbeigleiten. Und sie verkörpern wie kaum ein anderes Produkt menschlichen Seins die unendlichen Weiten der Freiheit. Mit Schiffen eroberte der Mensch die Welt und machte sie sich Untertan, Schiffe sind das Symbol des freien Handels. Schiffe sind, wie kaum ein anderes, somit auch ein Symbol wirtschaftlichen Wohlstands in der EU und in der Welt.

Basis des Wohlstands. Die weltweite Hochseeflotte besteht derzeit aus rund 50.000 Schiffen wie Containerschiffe, Frachter, Fähren, Kühlschiffe, Tanker usw. Sie alle sind das Rückgrat der Globalisierung und des weltweit wachsenden Wohlstands. Sie sind die Garantie für die weltweite Versorgung der Menschheit mit Rohstoffen, Lebensmitteln und Gütern. 

Das Abwracken ins Bewusstsein rücken

Dipl.-Ing. Dirk-Henning Stuhr, Director Green Dock (Foto: RS Media World)
D.H. Stuhr: „Kaum jemandem ist sich bewusst, dass die Havarien schwimmende Zeitbomben mit erheblichen Umweltgefährdungspotenzialen sind.“ (Foto: RS Media World)

Vor dem Hintergrund dieser schillernden Kulisse verschwindet die dunkle Tatsache, dass das Abwracken das Ende des Produktlebenszyklus dieser Königinnen der Hochsee ist. Sie werden im Alter zwischen 15 und 30 Jahren verschrottet. Wobei eine nicht unerhebliche Zahl der Havarien Schiffe sind, die bis 2008 neu gebaut wurden und keine einzige Seemeile gefahren sind. Sie und ihre Investoren wurden Opfer der damaligen Krise. Bis dahin galt die Investition in neue Frachtschiffe als gutes und nachhaltiges Geschäft in der Hoffnung eines permanent wachsenden Weltmarktes. Ob so oder so: Das Leergewicht der Schrottschiffe beträgt je nach Größe und Funktion fünf bis 40.000 Tonnen Schiffsstahl.

Hochseewracks sind Umwelt-Zeitbomben

„Kaum jemandem ist sich jedoch bewusst, dass die Havarien schwimmende Zeitbomben mit erheblichen Umweltgefährdungspotentialen sind“, sagt daher Dipl.-Ing. Dirk-Henning Stuhr, Project Director der Holländischen Green Dock, im Gespräch mit blogistic.net. Das Unternehmen mit Sitz im niederländischen Slochteren bei Groningen, ist ein Startup der Unternehmer Marius van der Stoel, Doebren Mulder und eben D.H. Stuhr, die nachhaltige Ingenieurdienstleistungen für den Abbau von Trockengüterschiffen, Tankschiffen und Arbeitsbühnen anbieten.  

Voll von Ölresten. Der Grund für die Umweltgefährdung durch die Schrottschiffe liegt im Wesentlichen darin, dass diese noch immer mit schmutzigem Schweröl angetrieben werden. Dazu kommen mehrere 1.000 Liter Ölreste wie etwa Schiffstreibstoffe, Hydraulik- und Schmieröle usw. Einige der Frachter sind zudem Tanker, die mit den verschiedensten fossilen Brennstoffen, Giftstoffen für die Industrie usw. beladen wurden und noch immer erhebliche Restbestände in ihren Rümpfen geladen haben. Bei manchen Tankern wurden in der Vergangenheit zusätzlich bis zu 1.000 Kubikmeter Öl- und Chemikalienreste in den Tanks gefunden.

Green Dock (Foto: Gudellaphoto / Adobe Stock / RS Media World Archiv)
Abwracken: Der Schiffseigentümer, egal ob Reeder oder Cash Buyer, verkauft sein Schiff an asiatische Eigentümer, und zwar dann, wenn die Schiffe die EU verlassen haben und auf hoher See sind. Denn erst dann können sie das Baseler Übereinkommen umgehen. (Foto: Gudellaphoto / Adobe Stock / RS Media World Archiv)

Ein Mix von Schwermetallen. Hinzu kommen Schwermetalle, welche für den Schiffsbau eingesetzt werden. So sind die Anstriche Schwermetall-Haltig, um die Schiffe vor Korrosion durch Salzwasser und Sonnenlicht sowie übermäßigem Bewuchs zu schützen. Somit bestehen die Schiffswracks nicht nur zu 95 Prozent aus Stahl. Dieser Stahl ist auch beschichtet mit zehn bis 100 Tonnen Anstrichstoffen, die Blei, Kadmium, Organozinn (TBT), Arsen, Zink und Chrom enthalten.

PCB und Asbest. Doch damit nicht genug: Schiffbaustoffe enthalten weiteren Sondermüll: PCB-haltige Dichtungsmassen und pro Schiff dutzende Tonnen verschiedener Asbestsorten in reiner oder verarbeiteter Form, in Ausnahmefällen sogar bis zu 200 Tonnen. Das Abwracken der Giganten ist somit untrennbar mit erheblichen Gesundheitsrisiken für Menschen sowie einer nachhaltigen Umweltgefährdung verbunden. Denn dadurch werden tonnenweise Gifte frei gesetzt, welche an und in Schiffen gebunden sind.

Schweißen ist giftig. Aber auch der Schweißprozess beim Zerlegen der Schiffswracks selber, setzt hochgiftige Dämpfe und Stäube frei, die nicht eingeatmet werden dürfen.  
     

Abwracken: Ein hochkomplexes Risiko-Business

D.-H. Stuhr: „Wir arbeiten seit über einem Jahrzehnt an einem Konzept, dass das nachhaltige Abwracken von Panamax-Schiffen in Europa ermöglicht.“ (Foto: RS Media World)

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass das Abwracken von Hochseeschiffen eigentlich eine hochkomplexe Angelegenheit ist, die viel Knowhow erfordert. Sie bedarf nämlich nicht nur einer genauen Planung der Abwrack-Prozesse, sondern auch einer durchgestylten Entsorgungslogistik. Hinzu kommen umfassende Sicherheitsplanungen für die Mitarbeiter, denn es wird beim Abwracken nicht nur tonnenweise Stahl bewegt. Hinzu kommen nämlich auch Maßnahmen für den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter. Sie müssen den ganzen Tag mit gesundheitsgefährdenden Stoffen hantieren. Gleichzeitig muss ein Umfeld geschaffen werden, das die Umwelt vor Schädigungen und Kontaminierung schützt.

Verlagerung des Abbruchs. Bis ins 20. Jahrhundert existierten Abwrackwerften über den ganzen Globus verstreut. Ihre Standorte konzentrierten sich aber auf die Länder mit einer starken industriellen Entwicklung. Deshalb kann die Entwicklung eines Industrielandes anhand der Schiffs- und Abwrackwerften verfolgt werden. Die Werften lagen damals hauptsächlich im Vereinigten Königreich, aber auch in Deutschland wie etwa in Wilhelmshaven oder Rostock. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven eine große Abwrackwerft: Bis 1923 wurden an die 300 Kriegs- und Handelsschiffe sowohl aus Deutschland als auch aus dem Ausland verschrottet.

Abwracken: Durch „Beaching“ zur Primitiv-Technik verkommen

Green Dock (Foto: Joseph Myerscouph / Adobe Stock / RS Media World Archiv)
Abwracken: Die Arbeiter in Südasien arbeiten unter gesundheitsgefährdenden Umständen (Foto: Joseph Myerscouph / Adobe Stock / RS Media World Archiv)

Ab den 1970er Jahren verlagerten sich jedoch sowohl der Schiffsbau als auch die Abwrackwerften zuerst nach Ostasien wie etwa nach Taiwan und Südkorea, später kam Südasien hinzu. Da die Kosten für eine Abwrackung vor allem in Europa vor allem durch strenge Arbeitsvorschriften, teurer werdende Arbeitskräfte und strenge Umweltvorschriften sehr hoch wurden und die Werften für das Abwracken der immer größer werdenden Schiffe zu klein wurden, werden heute etwa 70 bis 80 Prozent aller weltweit verschrotteten Schiffe in Indien, Pakistan, Bangladesch und der Volksrepublik China verschrottet.

Kreislaufwirtschaft bleibt auf der Strecke. Das gewachsene Abwrack-Knowhow in Europa ist daher vielfach verschwunden und in den letzten 25 Jahren zur Primitiv-Technik in Südasien verkommen. Alte Schiffe werden dort einfach auf den Strand gezogen und dort unter menschenunwürdigen sowie lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen in Handarbeit zerlegt. Allein auf dem größten Schiffsfriedhof der Welt in Alang, im indischen Bundesstaat Gujarat, sterben oder verletzen sich durch das „Beaching“ pro Jahr gleich mehrere Hundert Arbeiter. Todes- oder Verletzungsursachen sind dabei Explosionen, Brände, Erstickungen und Verletzen oder Erschlagen durch herabfallende Teile. Gewonnen wird dabei vor allem Schiffsstahl, der mit Schwermetallen usw. kontaminiert ist und nicht dekontaminiert wird. Die anderen Problemstoffe, vom Schweröl über Asbest, PCB bis hin zu allem, was giftig ist, werden einfach abgefackelt, illegal in den Markt eingeschleust oder sich selbst und der Umwelt überlassen. Die Verschrottungspraxis widerspricht daher nicht selten dem nationalen Recht der südasiatischen Importstaaten. Schiffseigner, Behörden, Abbruchunternehmen und Regierungen der Importstaaten geht es daher offenbar nicht um den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft, sondern alleine um den Profit aus dem Rohstoff „Stahl“. Sie ignorieren de facto den eigentlichen Zweck jeder Kreislaufwirtschaft, nämlich Wertstoffe maximal wiederzuverwerten und gleichzeitig Schadstoffe gesundheits- und umweltgerecht zu entsorgen.

Geschäftspraxis befeuert Status quo. Befeuert wird das Ganze von der gegenwärtigen Geschäftspraxis im Abwrack-Business. Dabei verkauft der Eigentümer, egal ob Reeder oder Cash Buyer, sein Schiff an asiatische Eigentümer, und zwar dann, wenn die Schiffe die EU verlassen haben und auf hoher See sind. Denn erst dann können sie das Baseler Übereinkommen umgehen. Dieses Übereinkommen schreibt ein bestimmtes Abfallmanagement vor. Mit Hilfe des Abkommens soll der Transport gefährlicher Stoffe in Entwicklungsländer reduziert oder ganz unterbunden werden. Dabei gehört Schiffsschrott allemal zur Kategorie „Problemstoff“. Für die Eigentümer ist das ein durchaus einträgliches Geschäft. Über 200 US-Dollar zahlen die südasiatischen Cash Buyer den Schiffseignern für eine Tonne Stahl. In Europa werden nur etwa 80 US-Sollar pro Tonne erzielt. Umgekehrt kostet das Abwracken in Europa derzeit zwischen 350-400 US-Dollar pro Tonne, hingegen in Indien oder Bangladesh lediglich 160-190 US-Dollar pro Tonne. Gleichzeitig gehen die Erträge aus den Stahlverkäufen und dem Verkauf des Equipments an die Cash-Buyer. Abnehmer des Stahls ist die VR China, dessen Hunger nach Stahl ist schier unersättlich.

Verkauf der Verantwortung. Aus rein betriebswirtschaftlichen Überlegungen heraus ist die Vorgehensweise der Flottenbetreiber daher nachvollziehbar. Sie verspricht hohe Erträge bei sehr geringem Risiko und Einsatz sowie gleichzeitiger Weitergabe der eigenen Verantwortung für Mensch und Umwelt. Deswegen dürften nicht nur Umweltschützer, sondern die ganze Wirtschaft mittelfristig auf das Verantwortungsbewusstsein der Reeder und Cash Buyer hoffen, die Schiffe aus eigenen Stücken in der EU verschrotten lassen.

Der Druck wächst. Allerdings wächst der Druck auf die Betreiber von Schiffsflotten in Zeiten des Klimawandels und des wachsenden Umweltbewusstseins von Wirtschaft und Bürgern. Solche Praktiken sind mittlerweile in Europa, aber auch zunehmend in den betroffenen Ländern, kaum mehr vermittelbar. Allerdings: Seitens der deutschen Politik wurde der Kurs der Reeder hinsichtlich eines nachhaltigen Recyclings jedoch durch Nichthandeln unterstützt. Deutschland hat die strengen EU-Normen für ein nachhaltiges Recyceln von Schiffswracks zwar unterschrieben und mit zugestimmt, aber bis heute nicht effizient und nachhaltig umgesetzt.  

Sie haben es selbst in der Hand

Green Dock (Foto: RS Media World)
D.-H. Stuhr: „Wir alle kennen die Bilder ausgebeuteter Arbeiter aus den indischen Abwrack-Werften. Wir alle wissen, welche Umweltschäden dort dadurch entstehen, dass die ganzen Giftstoffe einfach ins Meer geleitet werden. Und wir alle wissen, dass wir das Knowhow haben, es viel besser und umweltschonend zu machen als in Asien.“ (Foto: RS Media World)

Imageschaden enorm. Der Imageschaden für die Betreiber von Schiffsflotten wie Reeder und andere, der durch diese Praktiken entsteht, wächst. Dieser wird sich ist mittelfristig auch im Geldbeutel der Unternehmen bemerkbar machen, entweder durch staatliche Pönalen oder den Verlust von Geschäft. Das setzt jedoch das politische Handeln in den Staaten Europas im Allgemeinen und in Deutschland im Besonderen voraus. Das geringe Engagement Deutschlands in der Frage des Recyclings von Panamax-Schiffen ist der EU-Kommission schon längst ein Dorn im Auge. Auch deswegen suchen insbesondere sie mittlerweile selbst nach Alternativen, beispielsweise in Europa. Diese sind derzeit in Europa de facto nicht vorhanden. Die Abwrackunternehmen, die es hier gibt, sind zu klein und können keine Hochseeschiffe der Panamax-Kategorie aufnehmen.

Kosteneffizienter als in Indien. Das könnte sich jedoch bald ändern. Und der Clou dabei ist, dass die Reeder und andere Schiffsflottenbetreiber selbst für die Abwrack-Kapazitäten sorgen können. „Wir arbeiten seit über einem Jahrzehnt an einem Konzept, dass das nachhaltige und profitable Abwracken von Panamax-Schiffen in Europa ermöglicht“, sagt D.-H. Stuhr im Gespräch mit blogistic.net. Das innovative an diesem Konzept ist dabei, dass es bereits bestehende und bewährte Technologien so miteinander in einem Gesamtprozess kombiniert, dass das das Abwracken nicht nur nachhaltig ist, sondern auch kosteneffizienter als das etwa in Indien oder China der Fall ist. „Wir setzen auf höchste Produktivität und nicht auf den Masseneinsatz von Menschen. Je mehr Schiffe wir also abwracken, umso profitabler wird es“, bekräftigt D.-H. Stuhr.

Ein ausgeklügelter Automationsprozess

Ermöglicht wird das einerseits durch eine ausgeklügelte Automation welche den Abwrackprozess eines solchen Panamax-Giganten auf 20 Tage reduziert. Auf diese Weise können bis zu 20 dieser Schiffsgiganten pro Jahr komplett recycelt werden. Zum Vergleich: Die Abwrackwerften kommen in Indien auf rund zwei Abwrackungen pro Jahr bei höherem Einsatz von Personal. Eine Steigerung der Abwrackung ist somit in Südasien nur durch ein Mehr an Personal und einer immer komplexer werdenden Supply Chain vor Ort möglich. Die Abwrackunternehmen in dieser Region werden damit sehr rasch an ihre Grenzen stoßen, wenn sie nicht ohnehin schon an ihren Grenzen sind. „Wir steigern mit unseren Möglichkeiten erheblich die Produktivität pro Person bei einem Schichtbetrieb, wie er etwa in Deutschland üblich ist, mit allen Arbeitsvorschriften“, erläutert D.-H. Stuhr das Konzept.

Wir steigern mit unseren Möglichkeiten erheblich die Produktivität pro Person bei einem Schichtbetrieb, wie er etwa in Deutschland üblich ist, mit allen Arbeitsvorschriften

Dipl.-Ing. Dirk-Henning Stuhr, Director Green Dock

Es beginnt mit dem Foil-Dock. Dabei wird das Schiff zuerst in ein Foil-Dock gezogen. Foil-Docks sind von Green Dock patentierte, direkt am Strand ausgehobene und mit einer Folie und Sand ausgelegte Trockendocks, die geflutet werden können. Der Benefit solcher Docks sind die Herstellungskosten, welche nach Angaben von Green Dock mehr als fünf Mal günstiger sind als für herkömmliche Trockendocks. Dabei greifen die Ingenieure auf die Erfahrungen im holländischen Deich- und Schleusenbau zurück. Die Foil-Docks sind vergleichbar mit gigantischen Badewannen von mehr als zehn Metern Tiefgang. Das ist mehr als der Tiefgang eines Panamax-Schiffes in leerem Zustand.

Gigantische Salami aus Stahl. Ist das Schiff im Dock und das Wasser entfernt, wird es umweltgerecht dekontaminiert und entkernt. Hierbei werden noch brauchbare Technologien wie etwa Krane, Seilwinden aber auch Motoren etc. vorsichtig herausgenommen und einer direkten Vermarktung zugeführt. Anschließend werden die Schiffswracks in stählerne Salamischeiben zerschnitten. Geplant ist, zunächst ganz klassisch mit Gas-Schneidern zu beginnen. „Wir forschen aber derzeit an Lasertechnologien zum effizienten und umweltschonenden Zerschneiden von Schiffsstahl“, bekräftigt D.H. Stur im Gespräch mit blogistic.net. Die so entstandenen Schiffsteile werden dann an Ort und Stelle weiter in die Größen zerschnitten, wie sie beispielsweise die Stahlkocher wie die Voestalpine, Krupp oder andere Stahlkocher in Europa benötigen.

Die Brücke fällt zuletzt. Begonnen wird hierbei am Bug. Der letzte Abschnitt ist das Heck, wo zumeist die Kommandobrücken, Kojen der Mannschaften usw. der Schiffe untergebracht sind. „Das sind die schwierigsten Bereiche, weil sie einerseits bis zu 30 Metern und mehr in die Luft. Durch den Zerschneideprozess verändern wir die Statik des Schiffes, sodass hier besondere Vorkehrungen getroffen werden müssen“, beschreibt D.-H. Stuhr den Prozess.   

Ein ausgeklügelter Recycling-Prozess

Dipl.-Ing. Dirk-Henning Stuhr, Director Green Dock (Foto: RS Media World)

Dieser Automationsprozess wird von einem ausgeklügelten Recycling-Prozess begleitet, um ein Schiff in einen Sekundärrohstoff zu wandeln. Dabei untersucht das Green Dock-Team das zur Verschrottung stehende Schiff um ein konkretes Angebot zu unterbreiten. Gleichzeitig wird eine Vereinbarung darüber getroffen, dass das Schiff von seinem Ursprung zum Green Dock-Kai verbracht wird. Dort findet dann ein weiterer Check statt, bevor das Schiff zur Reinigung zugelassen wird. Diese Reinigung findet im Kai von Green Dock statt, der für drei Schiffe Raum hat und genügend Platz bietet für die gesetzeskonforme Entsorgung von Abfällen an Land wie etwa Asbest und anderen Problemstoffe.

In handliche Teile zerschnitten. Danach wird das Schiff ins Foil-Dock geschleppt. Hier wird – wie bereits oben beschrieben – das Schiff in bis zu 20 größere Segmente geschnitten. Diese Segmente werden innerhalb der Anlage an die sogenannten Cutting Stations gebracht, wo sie komplett aufgeschnitten und zerteilt werden. Von dort aus gelangen die Teile schließlich zu einem weiteren Schneideplatz, wo die Teile nach Kundenbedarf zugeschnitten werden können. Der Abtransport der Zuschnitt-Teile findet entweder per Bahn, per Schiff oder per LKW statt. Bereitgestellt wird das Material nach den ausgehandelten Incoterms und die Gefahrstoffe und Restabfälle werden nach gesetzlichen Vorgaben entsorgt.

Wo das erste Green Dock steht

Das Unternehmer-Trio hat an der Entwicklung und der weltweiten Patentierung des Foil-Docks und an diesem Konzept immerhin rund 13 Jahre gearbeitet. Ursprünglich versuchte man, es in Süd- und Südost-Asien, aber auch in Bahrain zu etablieren. Trotz großer Begeisterung dafür, gelang dies nicht. Warum, lässt sich nur vermuten. Auch das persönliche Investment der unternehmerischen Überzeugungstäter in Sachen Umwelt geht bereits in die Millionen. Gefragt, warum sie das hohe Risiko für Green Docks gehen, antwortet D.-H. Stuhr: „Herr Schlobach! Wir alle kennen die Bilder ausgebeuteter Arbeiter aus den indischen Abwrack-Werften. Wir alle wissen, welche Umweltschäden dort dadurch entstehen, dass die ganzen Giftstoffe einfach ins Meer geleitet werden. Und wir alle wissen, dass wir das Knowhow haben, es viel besser und umweltschonend zu machen als in Asien. Und last but not least wissen wir, dass wir damit gutes Geld verdienen können.“

Es ist alles da. Dennoch existiert Green Dock bislang nur virtuell und auf Papier. Der Grund: Bislang konnte noch kein Anchor Investor bzw. Cornerstone Investor gefunden werden, welcher in den Aufbau eines solchen Docks investieren möchte. Dabei existiert bereits alles, was man für die Beurteilung eines Investments benötigt: Ein ausgeklügeltes Produkt, ein weltweit gültiges Patent für Foil-Dock und den Zerteilungsprozess, drei Unternehmer, die bereit sind, eigenes Risiko zu gehen, einen Platz, wo das Ganze stattfinden soll (nämlich in Niedersachsen), Partner, die von der Recycling-Initiative überzeugt sind wie etwa die niedersächsischen N-Ports. Hinzu kommt eine ausgefeilte Supply Chain für den Recycling Prozess sowie ein ausgefeilter Businessplan. Und sogar Abnehmer für den gewonnenen Stahl haben sich bereits gemeldet: „Tata hat uns schon eine Zusage gegeben für 500.000 Tonnen Schiffsstahl“, sagt D.-H. Stuhr im Gespräch mit blogistic.net.  

Proof of Process fehlt

Das Einzige was einer Verwirklichung des Green Docks in Deutschland im Weg steht, ist ein Proof of Concept. Doch hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Ein Proof of Concept ist bei diesem komplexen Projekt erst möglich, wenn es in Echtbetrieb gegangen ist. Ohne Proof of Concept weigern sich Anchor Investoren jedoch, ihr Cornerstone-Investment zu tätigen.

Vergleichsweise geringer Betrag. Dabei handelt es sich um einen vergleichsweise geringen Gesamt-Investitionsbetrag und somit geringem Risiko: 25 Millionen Euro. Der Cornerstone-Investor müsste dabei nicht einmal den Gesamtbetrag leisten. Das Geld müsste nicht einmal in Cash fließen. Es reicht alleine das Commitment des Anchor-Investors, für zwei Jahre den Betrag bereit zu halten. In dieser Zeit finanziert eine oder mehrere Banken das Projekt. Gleichzeitig stehen schon jetzt weitere Investoren bereit, Geld einzusetzen, wenn es einen Corner-Investor gibt. Als Investoren kommen dabei nicht nur aus der Finanzbranche in Frage. Vielmehr sind die drei Unternehmer an Geldgebern interessiert, die eine Affinität zum Seeverkehr oder der Stahlerzeugung haben. „Die Investoren können Reeder ebenso sein wie Stahlkocher, Maschinenbauer, große Speditionen usw.“, sagt D.H. Stuhr gegenüber blogistic.net. 

Die Investoren können Reeder ebenso sein wie Stahlkocher, Maschinenbauer, große Speditionen usw.

Dipl.-Ing. Dirk-Henning Stuhr, Director Green Dock

Schiffsrecycling: Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet

Allerdings könnte einige Bewegung in das Schiffsrecycling-Business in Europa kommen. Die EU-Kommission hat nämlich jetzt die Geduld verloren und die erste Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland eingeleitet. Weitere Vertragsverletzungsverfahren gegen andere säumige Länder sind zu erwarten. Wie der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung, BVSE,  vermeldet, war der Grund die oben angesprochene, mangelhafte Umsetzung der EU-Vorschriften über das Recycling von Schiffen. Deutschland hat nun zwei Monate Zeit zu antworten. Antwortet Deutschland nicht, werden die anderen Abmahnstufen gezündet, welche für Deutschland empfindlich teuer werden können.

Verordnung hat umweltfreundliches Recycling zum Ziel. Die Verordnung über das Recycling von Schiffen soll dieses umweltfreundlicher und sicherer machen. Vor allem soll gewährleistet werden, dass Schiffe unter der Hoheitsgewalt eines EU-Mitgliedstaats (d. h. die die Flagge eines EU-Mitgliedstaats führen) auf sichere und umweltgerechte Weise recycelt werden. Es ist unerlässlich, so die EU-Kommission, dass die Mitgliedstaaten ihren zentralen Verpflichtungen zur Benennung der zuständigen Behörden, Verwaltungen und Kontaktpersonen sowie zur Annahme nationaler Rechtsvorschriften zur Durchsetzung dieser EU-Bestimmungen und der geltenden Sanktionen nachkommen.
 
Säumige Staaten. Die Mitgliedstaaten mussten diese Verpflichtungen bis zum 31. Dezember 2018 erfüllen und der Kommission die benannten Behörden und nationalen Durchsetzungsbestimmungen melden. Die fraglichen Mitgliedstaaten – neben Deutschland Kroatien, Zypern, Griechenland, Italien, Portugal, Rumänien, Slowenien und Schweden – haben dies jedoch bis heute nicht oder nicht vollständig getan.

Schiffseigner bald verstärkt unter Druck. Die Folge für europäische Reedereien und Casbuyer ist, dass das Abwracken in Südasien künftig erheblich erschwert wird, sodass sich die Kostenschraube dort erheblich dreht. Die Verordnung soll sie daher motivieren, sich verstärkt nach europäischen Alternativen umzusehen, welche Panamax-Riesen verarbeiten können. Der Bau des ersten Green Dock in Deutschland könnte daher sehr im Interesse der Reedereien sein.

www.greendock.nl

www.bvse.de

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