3D-MATRIX SYSTEM – Dynamik durch Entkoppelung

Die Volatilität der Märkte und Megatrends wie E-Commerce haben Folgen für die technologische Entwicklung der Logistikautomation. Losgröße eins und das gleich­zeitige Handling von Filial- und Direktbelieferung sowie das Einschleusen von Retouren müssen heute mit einer Automationslösung bewältigbar sein. Dabei scheint die Entkoppelung das Entwicklungsprinzip der Zukunft zu sein. Bei SSI Schäfer heißt das 3D-Matrix Solution. (Ein Bericht von CR Hans-Joachim Schlobach)

3D-Matrix (Foto: Heaven / Fotolia.com)
3D-Matrix: Durch Gleichmäßigkeit wird mehr Nutzen erzielt. (Foto: Heaven / Fotolia.com)

Kaum ein technologischer Fortschritt in der Investitionsgütertechnologie verläuft derzeit ähnlich rasant wie der im Rahmen der Logistikautoma­tion. Galt etwa noch vor fünf Jahren vor allem das Regalbediengerät (RBG) als Syno­nym für rasche und effiziente interne Materialflüsse und hohen Warenumschlag, sind Shuttle-Lösungen ein Mittel, um in die nächst höhere Leistungsklasse zu gelangen. Diese Shuttles sind heute nicht begrenzt auf Behälter und Karton, sondern sind auch im Umfeld der Palettenlagen und selbst ganzen Paletten möglich.

Bottlenecks beseitigen

Diese Veränderung wurde vor allem durch die Entwicklungen in der Informa­tions- und Rechnertechnologie in Gang gesetzt. Die populärsten Zeichen der Ent­wicklungen in diesem Bereich sind dabei derzeit Smartphone & Co. Sie sind die Trei­ber für völlig neue Business-Modelle wie etwa E-Commerce, welche wiederum Wech­selwirkungen auf die Logistik entfalten. E-Commerce setzt nämlich unterm Strich sämtliche Teilnehmer einer Supply Chain unter Druck, die Produktionsprozesse und Intralogistik auf Losgröße eins hin anzu­passen, zu optimieren und auf höchste Fle­xibilität und Skalierbarkeit zu trimmen. Hier liegt derzeit nämlich noch häufig ein Bottleneck im Gesamtsystem. Das gemein­same Ziel ist dabei, die erzeugten Waren so effizient und nachhaltig zu produzieren und ebenso zum jeweiligen Kunden zu bringen. Gleichzeitig darf hierfür so wenig Raum und Zeit wie möglich verbraucht wer­den, denn diese Faktoren sind in der Pro­duktion wie im Lager gleichermaßen knappe wie teure Güter. Außerdem soll dafür so we­nig Energie wie möglich verbraucht werden. Und last but not least sollen sich die Syste­me möglichst rasch und unkompliziert an die volatilen Marktbedingungen anpassen können sowie nahezu unbegrenzt skalier­bar sein. Genau hier spielen Shuttlesysteme ihre Vorteile beispielsweise gegenüber RBGs aus. Diese Ware-zum-Mann-Systeme sind einfach skalierbar und energiesparend zu betreiben. Das macht sie gegenüber RBGs auch für kleinere Start-ups attraktiv.

Dreidimensional strukturieren

Doch letztlich sind auch Shuttlesystemen physikalisch bedingte Leistungsgrenzen gesetzt, welche auch nicht durch den Ein­satz mehrerer Shuttles in einem System überwindbar sind. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass sowohl die Einlagerung von Waren als auch die Kommissionierung nur in die Tiefe (X-Achse) und Höhe (Y-Achse) erfolgen kann; genau wie bei RBGs. Der unmittelbare Zugriff auf die Stellplätze, die Z-Achse, erfolgt jedoch nur durch ein Lastaufnahmemittel des RBG oder des Shuttle-Fahrzeugs. Die aus den Stellplätzen entnommenen Ladungsträger werden dabei mittels Regalfahrzeugen an die Fördertech­nik oder Transferplätze übergeben. Der Effekt: Der gesamte Materialfluss des Lagers läuft auf diese wenigen Auslagerungspunk­te und -komponenten zu. Somit ist die Sys­temdynamik durch die Transferplätze sowie durch die Leistung der Lifte und För­dertechnik-Loops begrenzt. „Die Anlagen­leistung wird von den wenigen Komponen­ten bestimmt, auf denen die Aus- und Ein-lagerungen gebündelt werden. Sind die Kapazitätsgrenzen dieser Komponenten er­reicht, können Sie die Regalbediengeräte noch so schnell machen oder die Regalebe­nen mit Shuttlesystemen regelrecht fluten, das wird die Leistung nicht erhöhen“, er­klärt Elmar Issing, Director Business Solu­tions Group and New Technologies bei SSI Schäfer in Giebelstadt (D), im Interview mit blogistic.net, und weiter: „Zudem verhindert diese Problematik die Bildung von Reihenfolgen bzw. Sequenzbil­dungen.“ Darüber hinaus seien Erweiterun­gen solcher Anlagen hinsichtlich Leistung und Kapazität von vornherein Grenzen gesetzt.

3D-Matrix (Foto: RS Media World / SSI)
3D-Matrix: Der Clou des Systems ist, dass die Shuttles bei dieser Anordnung auf viele Stellplätze der Lifte zugreifen können. (Foto: RS Media World / SSI)

3D-Matrix: Grenzen überschreiten

Diese Grenzen wurden jedoch nun von den Intralogistikspezialisten von SSI Schäfer überschritten. Anstelle einer Kombination aus vielen Shuttles zu nur einem Lift oder einer Förderstrecke pro Gasse setzt SSI Schäfer gleich mehrere Lifte pro Gasse ein. Gleichzeitig wurde die Fördertechnik für die Ein- und Auslagerung um 90 Grad, also in die Z-Richtung, gedreht. Die Giebelstädter (Bayern) patentierten sich das Konzept folgerichtig unter dem Namen „3D-Matrix Solution“ oder einfach nur 3D-Matrix.

Dimensional bewegt. Die Grundidee des Systems ist, dass die bisher frontseitig be­grenzten Lifte nun in ausreichender Anzahl entlang und zwischen den Gassen angeord­net sind. Die angeforderten Ladeeinheiten werden nämlich auf Transferplätzen zum nächstgelegenen Lift hin eingestellt und gepuffert. Und da die Lifte individuell auf die Transferplätze zugreifen können, ist be­reits hier eine Sequenzierung in der Aus-lagerung bzw. die lastabhängige Einlage­rung möglich. So können die Kommissio­nier- und Versandplätze bedarfsgerecht beschickt werden. Parallel dazu laufen alle Auslagerungen exklusiv für den jeweils an­geschlossenen Arbeitsplatz ab. Der Effekt dieses Konzepts: Es spart den gesamten Arbeitsgang für die Sequenzierung ein.

Zugriff von allen Seiten. Ein weiterer Clou des Systems ist, dass alle Shuttles bei dieser Anordnung auf alle Stellplätze der Lifte zu­greifen können. Und da die 3D-Matrix mehr Lifte zur Verfügung stellt als herkömmliche Shuttlesysteme, können Be­hälter, Trays oder Paletten in einer größe­ren Anzahl von Transferplätzen gepuffert werden. Damit bietet das Lagersystem eine Entkopplung zwischen Kommissionierar­beitsplatz, Shuttles und Liften. Gleichzeitig entsteht ein Kommissionier-Vorlaufpuffer, mit dem sich Inbalancen von bis zu einer Stunde in der Auftrags- und Artikelstruktur ausgleichen lassen. „Jeder Artikel im Lager ist jederzeit durch die gewonnene, größere Suchtiefe mit der gleichen Zugriffsgeschwin­digkeit abrufbar. Auf eine ABC-Klassifizie­rung des Lagergutes kann mit unserem System somit völlig verzichtet werden“, freut sich E. Issing gegenüber blogistic.net.

Jeder Artikel im Lager ist durch die gewonnene, größere Suchtiefe jederzeit mit der gleichen Zugriffsgeschwindigkeit abrufbar. Auf eine ABC-Klassifizierung des Lagergutes kann mit unserem System somit völlig verzichtet werden. Elmar Issing, Director Business Solutions Group and New Technologies SSI Schäfer

 Mehrdurchsatz durch Parallelität

Während andere Ware-zum-Mann-Sys­teme die Steigerung ihres Durchsatzes durch höhere Geschwindigkeit zu erreichen versuchen, zeichnet sich die 3D-Matrix Solution vielmehr durch gleichmäßige und parallele Arbeitsabläufe der Shuttles aus. Das führt einerseits zu einer gleichmäßigen Belastung des Gesamtsystems und damit zu einem geringeren Energieverbrauch. „Geringere Geschwindigkeit führt zu nied­rigeren Lärmemissionen, was gleichzeitig einen reduzierten Verschleiß und niedrigere Servicekosten mit sich bringt“, ist E. Issing überzeugt.

 RBGs passé?

Das modular aufgebaute Konzept lässt sich übrigens für alle Lagertypen adaptie­ren, gleichgültig ob es um die Lagerung und Kommissionierung von Einzelartikeln (Piece Picking), Kartons (Case Picking), Lagen-Trays oder Ganzpaletten geht. Darü­ber hinaus lassen sich die 3D-Lösungen für Behälter-, Lagentray- und Palettenlager miteinander kombinieren. Vor diesem Hin­tergrund könnte SSI Schäfer tatsächlich das künftige Ende von RBG-Technologien ein­geläutet haben. Daran glaubt E. Issing aller­dings nicht, denn Unternehmen investieren nach wie vor in diese Ware-zum-Mann-Sys­teme. Und falls das Hauptaugenmerk einer Lösung auf einer hohen Anzahl an Lager­plätzen liegt und der Durchsatz ein unter­ge-ordnetes Kriterium darstellt, dürften RBGs auch nach wie vor eine ökonomisch sinnvolle Lösung darstellen. Dennoch: „Shuttlelösungen haben die Lagerwelt ver­ändert und werden es auch weiter tun“, so E. Issing gegenüber blogistic.net abschließend.

ssi-schaefer.com

Hier klicken und Interview mit Elmar Issing, SSI Schäfer, lesen.

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